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Demian

Demian

Titel: Demian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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Konfirmationsstunden.
    Und zuletzt fiel mein allererstes Zusammentreffen mit Max Demian mir ein.
    Um was hatte es sich doch da gehandelt? Ich kam nicht gleich darauf, aber ich ließ mir Zeit, ich war ganz darein versunken. Und nun kam es wieder, auch das. Wir waren vor unserem Hause gestanden, nachdem er mir seine Meinung über Kain mitgeteilt hatte. Da hatte er von dem alten, verwischten Wappen 57
    gesprochen, das über unsrem Haustor saß, in dem von unten nach oben breiter werdenden Schlußstein. Er hatte gesagt, es interessiere ihn, und man müsse auf solche Sachen achthaben.
    In der Nacht träumte ich von Demian und von dem Wappen. Es verwandel-
    te sich beständig, Demian hielt es in Händen, oft war es klein und grau, oft mächtig groß und vielfarbig, aber er erklärte mir, daß es doch immer ein und dasselbe sei. Zuletzt aber nötigte er mich, das Wappen zu essen. Als ich es ge-schluckt hatte, spürte ich mit ungeheurem Erschrecken, daß der verschlungene Wappenvogel in mir lebendig sei, mich ausfülle und von innen zu verzehren beginne. Voller Todesangst fuhr ich auf und erwachte.
    Ich wurde munter, es war mitten in der Nacht, und hörte es ins Zimmer
    regnen. Ich stand auf, um das Fenster zu schließen, und trat dabei auf etwas Helles, das am Boden lag. Am Morgen fand ich, daß es mein gemaltes Blatt war. Es lag in der Nässe am Boden und hatte sich in Wülste geworfen. Ich spannte es zum Trocknen zwischen Fließblätter in ein schweres Buch. Als ich am nächsten Tage wieder danach sah, war es getrocknet. Es hatte sich aber verändert. Der rote Mund war verblaßt und etwas schmäler geworden. Es war jetzt ganz der Mund Demians.
    Ich ging nun daran, ein neues Blatt zu malen, den Wappenvogel. Wie er
    eigentlich aussah, wußte ich nicht mehr deutlich, und einiges daran war, wie ich wußte, auch aus der Nähe nicht gut mehr zu erkennen, da das Ding alt und oftmals mit Farbe überstrichen worden war. Der Vogel stand oder saß auf etwas, vielleicht auf einer Blume, oder auf einem Korb oder Nest, oder auf einer Baumkrone. Ich kümmerte mich nicht darum und fing mit dem an, wovon ich eine deutliche Vorstellung hatte. Aus einem unklaren Bedürfnis begann ich gleich mit starken Farben, der Kopf des Vogels war auf meinem Blatte goldgelb. Je nach Laune machte ich daran weiter und brachte das Ding in einigen Tagen fertig.
    Nun war es ein Raubvogel, mit einem scharfen, kühnen Sperberkopf. Er stak mit halbem Leibe in einer dunkeln Weltkugel, aus der er sich wie aus einem riesigen Ei heraufarbeitete, auf einem blauen Himmelsgrunde. Wie ich das Blatt länger betrachtete, schien es mir mehr und mehr, als sei es das farbige Wappen, wie es in meinem Traum vorgekommen war.
    Einen Brief an Demian zu schreiben, wäre mir nicht möglich gewesen, auch wenn ich gewußt hätte wohin. Ich beschloß aber, in demselben traumhaften Ahnen, mit dem ich damals alles tat, ihm das Bild mit dem Sperber zu schicken, mochte es ihn dann erreichen oder nicht. Ich schrieb nichts darauf, auch nicht meinen Namen, beschnitt die Ränder sorgfältig, kaufte einen großen Papierumschlag und schrieb meines Freundes ehemalige Adresse darauf. Dann schickte ich es fort.
    Ein Examen kam näher, und ich mußte mehr als sonst für die Schule arbei-58
    ten. Die Lehrer hatten mich wieder zu Gnaden angenommen, seit ich plötzlich meinen schnöden Wandel geändert hatte. Ein guter Schüler war ich auch jetzt wohl nicht, aber weder ich noch sonst jemand dachte noch daran, daß vor einem halben Jahr meine strafweise Entlassung aus der Schule allen wahrscheinlich gewesen war.
    Mein Vater schrieb mir jetzt wieder mehr in dem Ton wie früher, ohne
    Vorwürfe und Drohungen. Doch hatte ich keinen Trieb, ihm oder irgend jemand zu erklären, wie die Wandlung mit mir vor sich gegangen war. Es war ein Zufall, daß diese Wandlung mit den Wünschen meiner Eltern und hehrer übereinstimmte. Diese Wandlung brachte mich nicht zu den andern, näherte mich niemandem an, machte mich nur einsamer. Sie zielte irgendwohin, zu Demian, zu einem fernen Schicksal. Ich wußte es selber ja nicht, ich stand ja mitten drin. Mit Beatrice hatte es angefangen, aber seit einiger Zeit lebte ich mit meinen gemalten Blättern und meinen Gedanken an Demian in einer so
    ganz unwirklichen Welt, daß ich auch sie völlig aus den Augen und Gedanken verlor. Niemand hätte ich von meinen Träumen, meinen Erwartungen, meiner inneren Umwandlung ein Wort sagen können, auch nicht, wenn ich

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