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Demian

Demian

Titel: Demian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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nicht während ich spiele. Jetzt los – was wollten Sie sagen? Sie sind ein ganz junger Mann, wahrscheinlich ein Schüler oder Student. Sind Sie Musiker?“
    Nein. Ich höre gern Musik, aber bloß solche, wie Sie spielen, ganz unbe-
    ”
    dingte Musik, solche, bei der man spürt, daß da ein Mensch an Himmel und Hölle rüttelt. Die Musik ist mir sehr lieb, ich glaube, weil sie so wenig moralisch ist. Alles andere ist moralisch, und ich suche etwas, was nicht so ist.
    Ich habe unter dem Moralischen immer bloß gelitten. Ich kann mich nicht gut ausdrücken. – Wissen Sie, daß es einen Gott geben muß, der zugleich Gott und Teufel ist? Es soll einen gegeben haben, ich hörte davon.“
    Der Musiker schob den breiten Hut etwas zurück und schüttelte sich das
    dunkle Haar von der großen Stirn. Dabei sah er mich durchdringend an und neigte mir sein Gesicht über den Tisch entgegen.
    Leise und gespannt fragte er: Wie heißt der Gott, von dem Sie da sagen?“
    ”
    Ich weiß leider fast nichts von ihm, eigentlich bloß den Namen. Er heißt
    ”
    Abraxas.“
    Der Musikant blickte wie mißtrauisch um sich, als könnte uns jemand be-
    lauschen. Dann rückte er nahe zu mir und sagte flüsternd: Ich habe es mir
    ”
    gedacht. Wer sind Sie?“
    Ich bin ein Schüler vom Gymnasium.“
    ”Woher wissen Sie von Abraxas?“
    ”Durch Zufall.“
    ”
    Er hieb auf den Tisch, daß sein Weinglas überlief.
    Zufall! Reden Sie keinen Sch. . . dreck, junger Mensch! Von Abraxas weiß
    ”
    man nicht durch Zufall, das merken Sie sich. Ich werde Ihnen noch mehr von ihm sagen. Ich weiß ein wenig von ihm.“
    Er schwieg und rückte seinen Stuhl zurück. Als ich ihn voll Erwartung ansah, schnitt er eine Grimasse.
    Nicht hier! Ein andermal. – Da nehmen Sie!“
    ”

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    Dabei griff er in die Tasche seines Mantels, den er nicht abgelegt hatte, und zog ein paar gebratene Kastanien heraus, die er mir hinwarf.
    Ich sagte nichts, nahm sie und aß und war sehr zufrieden.
    Also!“ flüsterte er nach einer Weile. Woher wissen Sie von – ihm?“
    ”
    ”
    Ich zögerte nicht, es ihm zu sagen.
    Ich war allein und ratlos“, erzählte ich. Da fiel mir ein Freund aus früheren
    ”
    ”
    f ahren ein, von dem ich glaube, daß er sehr viel weiß. Ich hatte etwas gemalt, einen Vogel, der aus einer Weltkugel herauskam. Den schickte ich ihm. Nach einiger Zeit, als ich nicht mehr recht daran glaubte, bekam ich ein Stück Papier in die Hand, darauf stand: Der Vogel kämpft sich aus dem Ei. Das Ei ist die Welt. Wer geboren werden will, muß eine Welt zerstören. Der Vogel fliegt zu Gott. Der Gott heißt Abraxas.“
    Er erwiderte nichts, wir schälten unsere Kastanien und aßen sie zum Wein.
    Nehmen wir noch einen Schoppen?“ fragte er.
    ”Danke, nein. Ich trinke nicht gern.“
    ”
    Er lachte, etwas enttäuscht.
    Wie Sie wollen! Bei mir ist es anders. Ich bleibe noch hier. Gehen Sie jetzt
    ”
    nur!“
    Als ich dann das nächste Mal nach der Orgelmusik mit ihm ging, war er
    nicht sehr mitteilsam. Er führte mich in einer alten Gasse durch ein altes, stattliches Haus empor und in ein großes, etwas düsteres und verwahrlostes Zimmer, wo außer einem Klavier nichts auf Musik deutete, während ein großer Bücherschrank und Schreibtisch dem Raum etwas Gelehrtenhaftes gaben.
    Wieviel Bücher Sie haben!“ sagte ich anerkennend.
    ”Ein Teil davon ist aus der Bibliothek meines Vaters, bei dem ich wohne.
    ”
    – Ja, junger Mann, ich wohne bei Vater und Mutter, aber ich kann Sie ihnen nicht vorstellen, mein Umgang genießt hier im Hause keiner großen Achtung.
    Ich bin ein verlorener Sohn, wissen Sie. Mein Vater ist ein fabelhaft ehrenwer-ter Mann, ein bedeutender Pfarrer und Prediger in hiesiger Stadt. Und ich, damit Sie gleich Bescheid wissen, bin sein begabter und vielversprechender Herr Sohn, der aber entgleist und einigermaßen verrückt geworden ist. Ich war Theologe und habe kurz vor dem Staatsexamen diese biedere Fakultät
    verlassen. Obgleich ich eigentlich noch immer beim Fach bin, was meine Pri-vatstudien betrifft. Was für Götter die Leute sich jeweils ausgedacht haben, das ist mir noch immer höchst wichtig und interessant. Im übrigen bin ich jetzt Musiker und werde, wie es scheint, bald eine kleinere Organistenstelle bekommen. Dann bin ich ja auch wieder bei der Kirche.“
    Ich schaute an den Bücherrücken entlang, fand griechische, lateinische, he-bräische Titel, soweit ich beim schwachen Licht der kleinen Tischlampe sehen konnte. Inzwischen

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