Demokratie! - wofür wir kämpfen
kapitalistischen Gesellschaft beschrieb: »Jedes Individuum … trägt seine gesellschaftliche Macht, wie seinen Zusammenhang mit der Gesellschaft in der Tasche mit sich.« Mit der Weigerung, unsere finanziellen Schulden zu bezahlen, zerschlagen wir die Macht des Geldes, um neue Verpflichtungen und neue Formen des gesellschaftlichen Zusammenhalts zu schaffen. Wir stehen zunehmend in der Schuld der anderen, aber nicht über finanzielle, sondern über gesellschaftliche Verpflichtungen.
Die neuen Rollen der gesellschaftlichen Gegenseitigkeit wurden in der neuen wirtschaftlichen Situation der biopolitischen Produktion bereits vorbereitet, da heute unser ganzes Leben Teil des Wertschöpfungsprozesses ist und wir dazu immer mehr mit anderen Singularitäten kooperieren. Kooperation und Gegenseitigkeit sind die Grundlagen des Gemeinsamen, the common ,und dieses ist heute die wichtigste Grundlage der gesellschaftlichen Produktion. Unsere gesellschaftlichen Bande werden zum Produktionsmittel, in unserer Gegenseitigkeit und Gemeinsamkeit entdecken wir Produktivität und Macht.
Während Geldschulden vereinzeln (und Leid und Verzweiflung schaffen, die wir in unserer Isolation doppelt spüren), werden unsere neuen Verpflichtungen immer sozialer und anti-individueller, sie sind transitiv, singulär, und nicht mehr eingesperrt in Vertragsbeziehungen. Wenn wir uns dessen bewusst werden und als Singularität dem Teufelskreis der Entmachtung und Verarmung entkommen, dann erkennen wir, dass sich diese sozialen Verpflichtungen nicht messen lassen, zumindest nicht in quantitativer Form von Geld. Sie lassen sich nur qualitativ messen, als Verkörperung unserer Wünsche, als Entscheidung, uns aus unserem alten Elend zu befreien und die alten Bande der Schulden zu zerreißen.
Die neue soziale Form der Verpflichtung demonstriert die Tugenden des common . Diese Verpflichtungen haben keinen Gläubiger, sondern sie definieren sich über Bindungen zwischen Singularitäten. Es handelt sich auch nicht um moralische Verpflichtungen, sondern vielmehr um eine Ethik des Gemeinsamen, basierend auf der Erkenntnis, dass wir einander und der Gesellschaft etwas schuldig sind.
In den vergangenen Jahrzehnten haben Arme und Verarmte zahlreiche Kämpfe gegen das individuelle und kollektive Joch der Schulden geführt. Occupy Wall Street war eines der sichtbarsten Beispiele, da Wall Street das Symbol der globalen Schuldengesellschaft ist und stellvertretend für alle Gläubiger steht. Doch die Occupy-Proteste stehen keineswegs allein da. Unserer Ansicht nach kamen im Zeltlager im Zuccotti Park zwei Traditionssträngezusammen. Eine Tradition, die sich vorrangig gegen die internationale Währungspolitik und die Verschuldung der Entwicklungsländer richtete und sich in verschiedenen Protesten der Globalisierungskritiker gegen die Weltbank und den Internationalen Währungsfonds äußerte. Sie erlebte ihren Höhepunkt im Jahr 2001 in den argentinischen Protesten und Versammlungen gegen die neoliberale Krisenpolitik, doch vorangegangen waren Dutzende von Protesten gegen die Spardiktate des Internationalen Währungsfonds, von Peru im Jahr 1976 über Ägypten im Jahr 1977 und Venezuela im Jahr 1989. Bei der zweiten, stärker fragmentierten Tradition handelt es sich um Proteste gegen die individuelle Verschuldung der Armen, etwa die Aufstände in Los Angeles 1992, Paris 2005 oder London 2011. Diese drei Aufstände waren Ausdruck der Wut gegen die Rassenunterdrückung in Metropolen und wurden jeweils durch polizeiliche Gewalt ausgelöst, doch in allen drei Fällen kam auch ein Widerstand gegen die Macht des Konsums und des Geldes zum Ausdruck. Die Plünderungen wurden zwar zum Teil vom Wunsch nach den verweigerten Konsumgütern befeuert, doch es handelte sich auch um eine symbolische Zerstörung dieser Waren als Instrumente der gesellschaftlichen Unterdrückung.
Einige mögen zögern, die friedliche Besetzung des Zuccotti Parks und selbst die karnevalesken Proteste der Globalisierungskritiker neben die Plünderungen und Wutausbrüche der Armen zu stellen. Wir sollten jedoch nicht den Fehler machen zu glauben, erstere seien weiter entwickelt als letztere. Die alte bolschewistische Theorie von der Entwicklung des politischen Bewusstseins von Spontanität zur Organisation greift nicht mehr. Und wir sollten den Armen auch nicht vorhalten, dass sie bei ihren Aufständen nicht besser organisiert, konstruktiver und friedlichervorgingen. Auf den Campusgeländen der
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