Demokratie! - wofür wir kämpfen
die der Sowjets, die gegen die Herrschaft des Kapitalismus kämpften, sich schon auf dem Weg in eine neue Demokratie wähnten, aber in den Fängen eines bürokratischen Staatsapparats endeten. Auf welchen Handel lassen wir uns ein, wenn wir eigentlich das Gemeinsame wollen, uns aber mit öffentlichem Besitz und staatlicher Kontrolle abfinden? Am Ende unterwerfen wir uns dem Staat und kommen der demokratischen Verwaltung der Gemeingüter keinen Schritt näher.
Wir sehen zwei Möglichkeiten, den Übergang vom Staatszum Gemeinbesitz und von staatlicher Kontrolle zu einer demokratischen Selbstverwaltung in die Wege zu leiten. Die erste basiert auf einer Abwandlung des Differenzprinzips, das JohnRawls im Rahmen seiner Gerechtigkeitstheorie vorschlägt. Nach diesem Prinzip ist eine Ungleichverteilung von Gütern nur dann gerechtfertigt, wenn sie den am stärksten benachteiligten Angehörigen einer Gesellschaft nutzt. Sämtliche gesellschaftlichen Entscheidungen sollten so getroffen werden, dass die Armen den größten Nutzen davon haben. Dieses Prinzip soll eine Dynamik in Gang bringen, die allmählich eine gleichmäßige Verteilung des Wohlstands bewirkt. Im Falle des common könnte ein ähnliches Differenzprinzip zur Anwendung gelangen: Jede gesellschaftliche Aufgabe, die bislang vom Staat übernommen wird, aber genauso gut gemeinsam übernommen werden könnte, sollte auch ins Gemeinsame überführt werden. Zum Beispiel könnten auf dem Bildungssektor selbstverwaltete Programme gegenüber staatlichen den Vorzug erhalten. Oder die demokratische Verwaltung von natürlichen Ressourcen könnte Vorrang haben, wenn sie mindestens ebenso effizient und effektiv ist. Dieses Differenzprinzip scheint eine nützliche theoretische Leitschnur, doch es ist noch nicht effektiv genug, um einen echten gesellschaftlichen Umbau zu bewirken.
Eine aktivere und praktischere Möglichkeit, den Übergang vom öffentlichen zum Gemeinbesitz zu bewerkstelligen, erfordert daher einen Kampf an zwei Fronten. Viele soziale Bewegungen, die für den Gemeinbesitz und gegen den Neoliberalismus eintreten, kämpfen einerseits für Verstaatlichungen als Instrument gegen das Privateigentum, und andererseits gegen den Staat im Interesse des Gemeinsamen und der Selbstverwaltung. Diese beiden Möglichkeiten schließen einander nicht aus und lassen sich mit anderen Strategien kombinieren. Das Entscheidende ist, dass wir nicht von vorneherein alle Strategien ablehnen müssen, die auf eine staatliche Kontrolle hinauslaufen,dass wir uns aber auch nicht mit ihnen zufriedengeben dürfen. Wir müssen vielmehr eine Dynamik in Gang bringen, die uns in Richtung des Gemeinbesitzes voranbringt.
Inzwischen gibt es viele Beispiele für diese Doppelstrategie für und gegen die Verstaatlichung. Studentische Proteste gegen die Privatisierung wählen sie genauso wie viele Umweltbewegungen. Die besten Beispiele finden sich unserer Meinung nach in der Dynamik zwischen den sozialen Bewegungen und den progressiven Regierungen Lateinamerikas, die wir uns nun näher ansehen wollen.
Progressive Regierungen und soziale Bewegungen in Lateinamerika
In einigen der größten Länder Lateinamerikas verhalfen in den letzten beiden Jahrzehnten starke soziale Bewegungen gegen den Neoliberalismus und für eine demokratische Selbstverwaltung progressiven Parteien an die Regierung. Diese neuen Regierungen haben in vielen Fällen beachtliche soziale Fortschritte bewirkt, einer bemerkenswerten Zahl von Menschen aus der Armut geholfen, starre rassistische Hierarchien zur Diskriminierung von indigenen und afrikanisch-stämmigen Einwohnern aufgeweicht, Möglichkeiten der demokratischen Beteiligung eröffnet und die lange wirtschaftliche und politische Abhängigkeit von den wirtschaftlichen Weltmächten, dem internationalen Markt und dem Imperialismus der Vereinigten Staaten überwunden. Doch auch wenn diese progressiven Parteien an die Macht kommen, und vor allem wenn sie die Praktiken der alten Regime übernehmen, setzten die sozialen Bewegungen ihre Aktivitätenfort, nun gegen die neue Regierung, die vorgibt, sie zu repräsentieren.
So entstand eine quasi-institutionialisierte Beziehung zwischen den sozialen Bewegungen und den Regierungen. Der Sozialismus des 20. Jahrhunderts integrierte Beziehungen wie diese noch in die politische Struktur: Gewerkschaften waren beispielsweise an die Partei angegliedert, und wenn sozialistische Parteien an die Macht kamen, banden sie die Aktivitäten der sozialen
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