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Demolition

Demolition

Titel: Demolition Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bester
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Morden vorbehalten bleiben. Er beendete die Planung und schlief die Nacht vom Montag auf den Dienstag recht anständig... bis er mit einem Schrei erwachte, nachdem er wieder vom Mann ohne Gesicht geträumt hatte. Am Dienstagnachmittag verließ Reich das Monarch-Hochhaus früher als üblich und stattete dem am Sheridan Place gelegenen Century Audio Shop einen Besuch ab. Der Laden führte hauptsächlich piezoelektrische Kristallspeicher in den verschiedensten Formen -winzige Edelsteine in vornehmen Fassungen. Die neueste Modeerscheinung waren Broschen für Damen; diese Schmuckstücke konnten Aufnahmen ganzer Opern enthalten. (»Bei Musik auf Schritt und Tritt / Schwingt Ihre Muschi munter mit.«) Im Century standen auch einige Regale voller altmodischer gedruckter Bücher.
    »Ich möchte eine echte Besonderheit für eine Freundin, die ich lange vernachlässigt habe«, sagte Reich zum Verkäufer. Man legte ihm haufenweise Artikel vor. »Das ist mir alles nicht außergewöhnlich genug«, quengelte er. »Warum stellt man hier eigentlich keinen Introvisor ein, der die Wünsche eines Kunden im Handumdrehen sicher erkennt, so daß der Kunde nicht solche Umstände hat? Wie kann man ein Geschäft denn so altertümlich und urgroßväterlich betreiben?« Er begann durch den Laden zu schlendern, umlauert von einem Gefolge besorgten Personals. Nachdem er genügend lange herumgestöbert hatte und ehe der beunruhigte Geschäftsführer sich entschloß, einen ESPer-Verkäufer herzubestellen, blieb er vor den Bücherregalen stehen. »Was ist das?« fragte er in scheinbarer Verwunderung.
    »Bücher, Mr. Reich. Alte Bücher.« Das Personal begann ihm gemeinsam umständlich die Theorie und Praxis des archaischen Visual-Buchs zu erläutern, während Reich langsam nach dem zerfledderten braunen Band suchte, auf den allein er es abgesehen hatte. Er erinnerte sich noch gut daran. Er hatte es vor fünf Jahren einmal durchgeblättert und sich danach einen Vermerk in sein kleines schwarzes Notizbuch geschrieben. Der alte Geoffry Reich war nicht der einzige Reich geblieben, der die Überzeugung hegte, daß sich Weitsicht auszahlte.
    »Interessant. Ja, wirklich. Faszinierend. Was ist dies hierfür ein Buch?« Er zog den braunen Band heraus. »Party-Spiele«. Von wann ist es denn? Ja, kann so etwas wahr sein?! So lange gibt es schon Partys?« Die Belegschaft versicherte ihm einmütig, daß die Menschen auch früher schon in mancherlei Hinsicht erstaunlich modern eingestellt gewesen seien. »Und was da drinsteht!« Reich lachte gedämpft auf. »Blindekuh«... »Römische Beichte«... »Besentanz«... »Sardinenbüchse«. Na, was mag das wohl sein? Seite sechsundneunzig. Das wollen wir uns einmal ansehen.« Reich blätterte, bis sein Blick auf eine fettgedruckte Überschrift fiel: HEITERE SPIELE FÜR GEMISCHTE PARTYS. »Da, schau her«, sagte er in geheuchelter Fassungslosigkeit. Er legte einen Finger auf den Absatz, an den er sich noch gut entsann.
     
    SARDINENBÜCHSE
    Man wählt einen Spieler zur Sardine. Alle Lichter werden gelöscht, und die Sardine darf sich irgendwo im Haus verstecken. Nach ein paar Minuten schwärmen die übrigen Spieler einzeln aus, um die Sardine zu suchen. Wer sie findet, darf es den restlichen Spielern nicht verraten, sondern wird ebenfalls zur Sardine. Die Sardinen verstecken sich gemeinsam an einem Ort ihrer Wahl. Nacheinander werden alle Spieler, die die Sardinen finden, ebenso zu Sardinen. Alle Sardinen verbergen sich im selben Versteck. Schließlich tappt nur noch ein Spieler im wahrsten Sinne des Wortes im Dunkeln. Er ist der Verlierer.
     
    »Das Buch nehme ich«, sagte Reich. »Das ist genau, was ich brauche.«
     
    Am Abend arbeitete er drei Stunden lang mit Glut, Säure, Farbe, Beizstoff und Schere, um den gesamten Rest des Bandes zu verschandeln und zu entstellen, alle anderen Spielanweisungen bis zur Unbrauchbarkeit zu verstümmeln; jede versengte Stelle, jeder Riß, jeder Schnitt bereitete ihm ein irres Vergnügen, als ob er in Wirklichkeit D'Courtneys wehrloser Klappergestalt diese Mißhandlungen zufügte. Als sein Mord in effigie begangen war, bestanden die ganzen Texte nur noch aus unbegreiflichen Bruchstücken; bloß die Anleitung zum Spiel »Sardinenbüchse« war erhalten geblieben.
    Reich packte das Buch ein, versah das Päckchen mit der Anschrift von Taxator Graham und warf es in die Rohrpost. Mit einem Fauchen und Poltern verschwand es; eine Stunde später gelangte es mit einem eindrucksvoll

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