Demolition
besiegelten Gutachten Grahams wieder auf Reichs Schreibtisch. Offensichtlich war es -wie er erwartet hatte -nicht aufgefallen, daß es sich bei den Beschädigungen um sein Werk handelte. Er ließ das Buch mitsamt dem Gutachten (wie es der Brauch war) geschenkmäßig verpacken und durch die Rohrpost zu Maria Beaumonts Stadtwohnsitz befördern. Zwanzig Minuten später erhielt er eine Antwort.
Liebling! Liebling! Liebling! Ich dacht schon, Du hättest mich arms kleins Häschen vergessen. (Offenbar hatte Maria das Brieflein eigenhändig geschrieben.) Dein Geschenk ist 1fach himmlisch! Sei heut abend Gast im Haus Beaumont. Wir haben 1e Party. Da können wir gleich viele Spiele aus Deim duften Buch spielen.
Außerdem enthielt die Versandkapsel ein Bild Marias, das eingeschlossen war in einen sternförmigen Kunstrubin. Natürlich war es ein Nacktfoto. Reich antwortete sofort.
Bin untröstlich, da heute abend verhindert. Mir ist eine meiner Millionen abhanden gekommen. Marias Entgegnung ließ nicht lange auf sich warten. Dann komm eben am Mittwoch, Du fleißiger Biber! Ich geb' dir 1e von meinen. Reich säumte nicht lange mit seiner Zusage. Nehme mit Freuden Einladung an. Bringe noch einen Gast mit. Tausend Grüße und Küsse! Danach ging er ins Bett. Er schrie, als ihm im Traum der Mann ohne Gesicht erschien.
Im Laufe des Mittwochvormittags suchte Reich die Wissenschaftliche Abteilung der Monarch auf (»Wissen Sie, das sind halt solche Anwandlungen von Väterlichkeit.«) und brachte eine angeregte Stunde mit seinen jungen Schlaumeiern zu. Er diskutierte mit ihnen ihre Tätigkeit und ihre glanzvolle Zukunft (wofür sie der Monarch nur Vertrauen entgegenzubringen brauchten). Beiläufig erzählte er ihnen den alten schweinischen Witz vom unverheirateten Siedler, der im tiefsten Weltraum eine Notlandung auf einem Friedhofsasteroiden machen muß (»...und da sagte die schöne Leiche zu ihm: »Erlauben Sie mal, junger Mann, ich bin eine anständige Touristin!««), über den seine Schlauköpfchen pflichtgemäß lachten, während sie sich insgeheim getrost dem Chef ein wenig an Niveau überlegen fühlen durften. Während dieser Entfaltung von größtmöglicher Leutseligkeit - im Rahmen des Angebrachten -konnte Reich nebenbei einen Blick in den strengen Zugangsbeschränkungen unterworfenen Lagerraum mit den geheimsten Hilfsmittelchen der Monarch werfen und bei dieser Gelegenheit eine Anti-Visual-Patrone an sich nehmen. Es handelte sich um kupferne Profilstäbe in der halben Größe von Sprengkapseln, aber sie waren doppelt so gefährlich. Sobald man sie aufriß, schoß das Treibgas in einer grellen, bläulichen Flamme hinaus, die das Rhodopsin -ein Farbeiweiß in der Netzhaut des Auges -ionisierte, dadurch das Opfer blendete und seine Wahrnehmung von Raum und Zeit aufhob.
Am Mittwochnachmittag begab sich Reich in die Melody Lane inmitten des Künstlerviertels und bimmelte an der Tür der Psycho-Song GmbH, deren Leiterin ein gerissenes junges Weibsstück war, das für die Verkaufspolitik der Monarch bereits hervorragendes Reimgeklingel und im vergangenen Jahr, als die Monarch alles aufbieten mußte, um einen Arbeitskampf schnellstens zu beenden, einige Streikbrecherlieder von verheerender Wirkungskraft geliefert hatte. Der Name dieser jungen Frau lautete Duffy Wyg&. * Für Reich war sie die Verkörperung des modernen Karrieremädchens - die jungfräuliche Verführerin.
»Na, Duffy, wie geht's, wie steht's?« Er gab ihr einen gleichmütigen Kuß. Reich pflegte ihre Rundungen mit vom Erfolg geschwängerten Umsatzkurven zu vergleichen; doch sie war für seinen Geschmack noch ein bißchen zu jung.
»Na, Mr. Reich?« Sie sah ihn mit seltsamem Blick an. »Eines Tages werde ich jemanden vom Verein ESPer der Einsamen Herzen heranziehen, um endlich einmal Aufschluß über die Bedeutung Ihrer Küsse zu erhalten. Ich kann mich nie völlig des Eindrucks erwehren, als ginge es Ihnen gar nicht so sehr darum, Ihr Geld loszuwerden.«
»Sehr liegt mir auch nicht daran.«
»Schuft!«
»Ein Mann muß sich frühzeitig entscheiden, Duffy. Wenn er's vorzieht, Mädchen zu küssen, gibt er gleichzeitig seinem Geld den Abschiedskuß.«
»Aber Sie haben mich doch jedesmal geküßt.«
»Nur weil Sie der Dame auf dem Kredit so sehr ähneln.«
»Tataaa-tataaa-tataaa...!«
»Huch, wie poppig.«
»Scheißkerl«, sagte sie.
»Tschingdera-tschingdera...«
»Den Klotzkopf würde ich zu gerne umbringen, der diese Blasmusik erfunden hat«, sagte
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