Demolition
Duffy verdrossen. »Na gut, Feinspinkelchen. Was haben Sie auf dem Herzen?«
»Glücksspiele«, antwortete Reich. »Ellery West, der Leiter unseres Freizeitzentrums, jammert darüber, daß das Personal der Monarch zuviel an den Spieltischen hockt. Ich persönlich habe an sich nichts dagegen.«
»Sicher. Wer beim Betrieb Schulden hat, ersucht ungern um Gehaltserhöhung.«
»Sie sind doch einfach zu gescheit, meine liebe Kleine.«
»Sie mö chten also so eine Art von Song, der die Spielleidenschaft mindert?«
»Etwas ähnliches. Er muß eingängig sein. Aber nicht zu plump. Keine direkte Propaganda, ich lege mehr Wert auf ein Lied mit Verzögerungswirkung. Ich will die Beeinflussung mehr oder weniger unbewußt geschehen lassen.« Duffy nickte und machte sich rasch einige Vermerke. »Und sehen Sie zu, daß es eine hörenswerte Melodie ist. Ich muß sie mir dann ja von was weiß ich wie vielen Leuten anhören, die sie den ganzen lieben langen Tag hindurch singen, summen und pfeifen.«
»Alle meine Produktionen sind so gut, daß man sie hören kann, Sie Mistkerl.«
»Ja, einmal.«
»Das kostet Sie einen Tausender mehr.«
Reich lachte. »Da wir gerade von Monotonie sprechen...«, begann er glattzüngig.
»Was gar nicht der Fall ist.«
»Welches war die hartnäckigste Melodie, die Sie jemals komponiert haben?«
»Hartnäckig?«
»Sie wissen, was ich meine. So etwas wie ein Reklamegetingel, das einem nicht wieder aus dem Ohr geht. Einen Ohrwurm.«
»Oh, Sie meinen etwas Einprägsames wie einen Pepsi, wie wir das nennen.«
»Warum?«
»Keine Ahnung. Angeblich, weil vor einigen Jahrhunderten der erste von einem Typ namens Pepsi geschrieben worden sein soll. Aber ich glaube das nicht so recht. Ich habe einmal einen gemacht...« Angesichts der Erinnerung zog Duffy schreckhaft die Schultern ein. »Ich denke noch heute ungern daran. Er sollte mindestens für einen Monat im Gedächtnis der Leute bleiben. Mich hat er ein Jahr lang verfolgt.«
»Bestimmt übertreiben Sie.«
»Nein, auf Ehrenwort, Mr. Reich. Das Ding hieß »Spannung! rief der Tensor«. Ich schrieb es damals für diesen Reinfall von Show mit dem verrückten Mathematiker. Man wollte etwas, das einmal echt einschlägt, und so kam's auch, aber anders als erhofft. Die Leute waren bald so sauer, daß das Programm geändert werden mußte. Und ich habe dabei ein Vermögen verloren.«
»Das Liedchen möchte ich aber gerne mal hören.«
»Das kann ich Ihnen nicht antun.«
»Ach, kommen Sie, Duffy, machen Sie schon, ich bin jetzt wirklich neugierig.«
»Sie werden's noch bereuen.«
»Ach was.«
»Na schön, Sie Dickschädel«, sagte sie und zog die Tastatur des Synthesizers heran. »Das soll meine Rache für ihren kühlen Begrüßungskuß sein.« Ihre Handflächen und die Finger huschten anmutig und geschwind über die Tastatur. Eine Melodie, die sich auszeichnete durch unüberbietbare Monotonie, erfüllte den Raum mit quälerischer, unverzeihlicher Abgedroschenheit. Sie war die Quintessenz jedes melodischen Klischees, das Reich je gehört hatte. Gleichgültig, an welche Melodie man sich zu entsinnen versuchte, unweigerlich geriet man auf dem Weg über vertraute Töne wieder zurück zu »Spannung! rief der Tensor«. Dann begann Duffy zu singen.
»Acht, Mensch, sieben, Mann,
Sechs, Mensch, fünf, Mann,
Vier, Mensch, drei, Mann,
Zwei, Mensch, eins, Mann!
Spannung! rief der Tensor.
Spannung! rief der Tensor.
Spannung, Spiel und
Spökenkieken sind im Gang!«
»Um Gottes willen!« entfuhr es Reich.
»In diese Melodie habe ich tatsächlich ein paar knallharte musikalische Kniffe eingearbeitet«, sagte Duffy, während sie weiterspielte. »Bemerken Sie den Takt nach dem letzten »Mann«? Das ist eine Halbkadenz. Dann folgt so ein Takt hinter »Gang«, also besteht der Schluß des Songs ebenfalls aus einer Halbkadenz, und deshalb kann man ihn niemals beenden. Der Takt erzwingt einen Kreislauf. Das geht so: »Spannung, Spiel und Spökenkieken sind im Gang!« SCHRUMM! »Spannung, Spiel und Spökenkieken sind im Gang!« SCHRUMM! »Spannung, Spiel und...««
»Sie sind ja ein richtiger kleiner Satansbraten!« Reich sprang auf und patschte seine Handflächen auf die Ohren. »Ich bin erledigt. Wie lange hängt einem das an?«
»Nicht länger als einen Monat.«
»Spannung, Spiel und Spöken...! Das ist das Ende! Das wirft mich nieder! Gibt's davor keine Rettung?«
»Doch«, antwortete Duffy. »Es ist ganz einfach. Sie brauchen bloß mich
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