Demolition
Powells Gestalt ab; er hielt ein Glas, dessen Inhalt sprudelte, in der Hand. Der sanfte Sternenschein erhellte sein Gesicht. Die Augen in den tiefen Höhlen spiegelten Verständnis und Mitgefühl wider. Verdutzt richtete sich Church auf und nahm das angebotene Glas scheu entgegen. »Aber laß davon nichts zum Verband vordringen, Jerry. Ich bekäme eine Menge Ärger für die Mißachtung des Tabus, das deinem Status anhaftet. Ich verstoße ohnehin dauernd gegen irgendwelche Vorschriften. Armer Jerry... Wir müssen irgend etwas für dich tun. Zehn Jahre sind zu lang.«
Plötzlich schüttete Church das Getränk Powell ins Gesicht, machte auf dem Absatz kehrt und lief davon.
3
Am Montagmorgen um 9 Uhr erschien auf dem Bildschirm von Reichs V-fon Tates püppchenhaftes Gesicht. »Ist dies eine sichere Verbindung?« erkundigte er sich in scharfem Ton. Zur Antwort wies Reich bloß auf das Sicherheitszeichen. »Na schön«, sagte Tate. »Ich glaube, ich habe meinen ersten Auftrag für Sie erledigt. Gestern abend konnte ich @kins ein wenig unter meine telepathische Lupe nehmen. Aber bevor ich Ihnen etwas erzähle, muß ich Sie warnen. Wenn man einem Einser in den Geist schaut, ist die Möglichkeit von Irrtümern sehr groß. @kins hatte sich mit aller Sorgfalt abgeschirmt.«
»Das ist mir alles klar.«
»Craye D'Courtney trifft mit der »Astra« am nächsten Mittwochmorgen vom Mars ein. Er wird sich sofort in Maria Beaumonts Stadtwohnsitz begeben und dort für genau eine Nacht im Geheimen und Verborgenen zu Gast sein... nicht länger.«
»Eine Nacht«, sagte Reich leise. »Und dann? Was hat er vor?«
»Keine Ahnung. Anscheinend plant D'Courtney irgendeine drastische Maßnahme...«
»Gegen mich!« entfuhr es Reich.
»Vielleicht. Nach allem, was ich von @kins weiß, unterliegt D'Courtney irgendeiner Art von schwerstem Streß, und seine Anpassungsfähigkeit zerschmilzt. Lebens-und Todestrieb haben sich entworren. Er ist infolge dieser emotionalen Katastrophe einem beschleunigten Verfall unterworfen...«
»Verflucht noch einmal!« schnauzte Reich unbeherrscht. »Drücken Sie sich verständlich aus! Mein Leben hängt von diesen Informationen ab.«
»Es verhält sich ganz einfach. Jeder Mensch besitzt ein Gleichgewicht von zwei entgegengesetzten Trieben. Einer ist der Lebenserhaltungstrieb, der andere der Todestrieb. Beide Triebe streben dasselbe Ziel an... das Nirwana. Der Lebenserhaltungstrieb ringt ums Nirwana, indem er jedes Hindernis auf jede erdenkliche Weise fortzuräumen versucht. Der Todestrieb strebt das Nirwana auf dem Wege der Selbstzerstörung an. Normalerweise sind beide Triebe in einem an diesen gewohnten Zustand angepaßten Individuum miteinander verschmolzen. Unter Streß bilden sie dagegen zwei getrennte Triebstränge. Das geschieht gegenwärtig bei D'Courtney.«
»Ja, wahrhaftig! Und er hat's auf mich abgesehen!«
»@kins will D'Courtney am Donnerstagmorgen aufsuchen, um ihn möglichst von dem abzubringen, das er zu tun beabsichtigt, was immer das auch sein mag. @kins ist deswegen jedenfalls sehr beunruhigt und fest entschlossen, es zu verhindern. Er hat auf der Venus einen Schnellraumer bestiegen, um vor D'Courtney hier anzukommen.«
»Er kann sich die Mühe sparen, D'Courtney aufzuhalten. Das werde ich schon persönlich erledigen. Er braucht mich nicht zu beschützen. Ich kann mich selber schützen. Das ist ein Fall von Selbstverteidigung, Tate... kein Mord! Selbstverteidigung! Sie haben gute Arbeit geleistet. Mehr brauche ich nicht, um Erfolg zu haben.«
»Sie brauchen noch viel mehr, Reich. Unter anderem Zeit. Heute ist Montag. Sie müssen am Mittwoch bereit sein.«
»Und das werde ich auch«, knirschte Reich. »Sorgen Sie dafür, daß Sie's auch sind.«
»Wir können uns keinen Mißerfolg erlauben, Reich. Wenn daraus ein Fehlschlag wird... das bedeutet Demolition. Haben Sie das berücksichtigt?«
»Demolition für uns beide. Das weiß ich ganz genau.« Plötzlich klang Reichs Stimme brüchig. »Ja, Tate, Sie sitzen mit mir im selben Boot, und ich werde es steuern bis zum Ende... selbst bis zur Demolition.«
Er verwendete den ganzen Montag auf die Vorbereitungen, plante mit Verwegenheit, Unerschrockenheit und Selbstvertrauen. Wie ein Künstler auf einem Blatt in schwachen Umrissen eine Skizze entwirft, bevor er mit der kräftigen Tusche ans Werk geht, so legte er die Grundzüge seines Plans fest; aber die Tusche ließ er sozusagen weg: der Endkampf sollte seinem Trieb zum
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