Demonica: Versuchung der Nacht (German Edition)
spielte wohl auch keine Rolle. Für Idess war ihre Mutter der Mensch, der sie mit so viel Liebe, wie er zu geben hatte, aufgezogen hatte.
Eine Brise kam auf und ließ das Laub rascheln. Lore drehte sein Gesicht hinein und schloss die Augen. »Und … wie kommt es, dass der Sensenmann und ein Engel zusammenkommen? Gibt es irgend so eine Art himmlische Singlebar, wo man sich trifft und flirtet und sich betrinkt und der eine den anderen nach Hause bringt?«
Idess lachte bei der Vorstellung. »Ich bin nicht sicher, was die Einzelheiten angeht, aber Rami hat mir erzählt, dass sich eine Handvoll Engel freiwillig als Geburtsmütter zur Verfügung gestellt haben – so wie sich Azagoth freiwillig gemeldet hatte, um zum Wohle der Menschheit seinen Fall in Kauf zu nehmen. Allerdings kann er sein Reich nicht verlassen, darum gehen sie zu ihm.«
»Und wie viele Mamas gibt es?«
»Rami zufolge zweiundsiebzig. Er war ein Gelehrter der menschlichen Religionen und war stets davon überzeugt, dass viele Traditionen und Überzeugungen auf Tatsachen basieren.«
»Wie zum Beispiel die zweiundsiebzig Jungfrauen für muslimische Märtyrer?«
»Genau. Diese Zahl hat einen Ursprung, und Rami glaubt, dass sie in der Anzahl der Memitim-Mütter wurzelt. Außerdem glaubt er, dass ›Jungfrau‹ eigentlich ein Übersetzungsfehler ist und es in Wirklichkeit ›Engel‹ heißen müsste.« Sie schnaubte. »Als ob irgendein Mann zweiundsiebzig Engel zur Belohnung bekommen würde.«
»Und wie wäre es mit einem einzigen Engel?« Lores Stimme war heiser und belegt, eine Liebkosung, die sie vor freudiger Erwartung erschauern ließ.
»Technisch gesehen bin ich noch kein Engel«, sagte sie. »Also zähle ich vermutlich nicht.«
Er berührte ihr Gesicht. »Du freust dich schon sehr darauf zu gehen, nicht wahr?«
Diese Frage traf sie mitten ins Herz und verwirrte sie zutiefst, denn zum ersten Mal, seit sie erfahren hatte, was sie war und wasihre Belohnung für gute Dienste sein würde, schwankte sie.
»Ich kann es kaum erwarten, hier wegzukommen.« Wirklich. Das war die reine Wahrheit. Wie sie eben zu Lore gesagt hatte, war die Erde die Hölle. Überall Leid und Schmerz und Grausamkeit.
Und heiße Männer wie Lore.
In seinen Augen blitzte Schmerz auf, und er erhob sich. »Ja, ist echt scheiße hier. Nichts, weswegen es sich lohnen würde, weiter hier rumzuhängen.«
»Lore, ich wollte damit nicht – «
»Schon okay. Wir sollten uns lieber auf unsere Jagd vorbereiten. Sin muss jede Minute hier sein.«
Sie stand auf und streckte die Hand nach ihm aus. »Lore.«
Er ignorierte sie und stapfte ins Haus.
Sie blieb zurück und fühlte sich elender als an dem Tag, an dem sie Rami hintergangen hatte.
Als sich Lore endlich angezogen und seine Ausrüstung vervollständigt hatte, war es an der Zeit, dass Sin auftauchen müsste. Und Idess war zurück. Sie hatte sich von seiner Terrasse fortgeblitzt, nachdem er sie dort hatte stehen lassen. Offensichtlich, um nach Hause zu gehen und sich umzuziehen, denn jetzt trug sie Jeans, sexy, wadenhohe Stiefel und ein flippiges buntes Versace-Sweatshirt.
Das solltest du mal im Himmel tragen. Ja, er war ein wenig verbittert, wenn er auch keine Ahnung hatte, wieso. Was hatte er denn erwartet, als er eine Frage stellte, deren Antwort er gar nicht hören wollte? Eine Erklärung ihrer immerwährenden Liebe und die Bereitschaft, alles aufzugeben, um bei ihm zu bleiben? Nur weil sie einander ein paarmal Vergnügen bereitet hatten? Nur weil sie die einzige Frau auf dem Planeten war, die nicht mit ihm verwandt war und trotzdem seinen Arm berühren konnte, ohne tot umzufallen?
Mann, Idess hätte ja zumindest so tun können, als wäre sie ein klitzekleines bisschen traurig, ihn auf der Erde zurückzulassen.
Klar, weil es sie so schrecklich mitnehmen wird, sich von einem Dämon zu verabschieden, der von ihr praktisch verlangt hat, auf die Knie zu gehen und seine Hure zu sein.
Mist. Er schob sein Grabenmesser mit besonderem Nachdruck in das Gürtelhalfter, um in den Assassinen-Modus umzuschalten. Wenn er auf die Jagd ging, konnte er sich dieses Gejammer nicht leisten.
Allerdings fühlte er sich ziemlich beschissen, nach dem, wie er sie vorhin behandelt hatte, und schaltete einen Gang runter. »Ich hätte nicht gedacht, dass du auf Designerklamotten stehst«, sagte er barsch.
»Tu ich auch nicht. Aber ich versuche, dort einzukaufen, wo ich wohne.« Sie hob ein Bein, um ihm den Stiefel zu zeigen. »Italienisches Leder.
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