Demonica: Versuchung der Nacht (German Edition)
Leute. Warum haben sie es verdient, gerettet zu werden, andere aber nicht? Warum überlebt der betrunkene Autofahrer, und die unschuldigen Opfer sterben?«
Idess betrachtete das Sonnenlicht, das seine attraktiven, eckigen Züge liebkoste wie eine Geliebte. Als könnte nicht einmal die Natur der Versuchung eines Dämons, der für Sex geschaffen war, widerstehen. »Was bringt dich darauf, dass man nur dann vom Tod gerettet werden kann, wenn man es verdient hat?«
»Ja«, sagte er gedehnt. Er zog ein Knie an und legte seinen Arm darüber. »Das ist wirklich eine verrückte Frage.«
Sie liebte es, wenn er scherzte, selbst wenn es sich diesmal eher um Sarkasmus handelte. »Der betrunkene Fahrer wird nicht belohnt, indem er überlebt. Ihm wird die Hölle auf Erden geschenkt. Entweder wird er damit bestraft, oder aber seine Seele hat noch etwas zu lernen, während sie auf der Erde weilt. Vielleicht ist er sogar Primori, dessen Handlungen zu neuen Gesetzen oder Handlungen führt, die am Ende mehr Leben retten. Und die Opfer? Ihre Seelen sind bereits perfekt und bereit für ihre Belohnung.«
»Auf die Gefahr hin, wie ein Trottel zu klingen … hä?«
Sie lachte. »Das Leben auf der Erde bedeutet Engeln sehr wenig, da wir uns mit der Seele und nicht mit dem Körper befassen. Die Seele ist die wahre Essenz einer Person oder eines Tiers. Das Leben auf der anderen Seite, im Himmel, ist die wahre Existenz. In der Tat sehen die Bewohner des Himmels die, die an die Erde gebunden sind, als Geister. So wie Menschen Geister sehen, als durchsichtige Wesen, so sieht man uns hier unten von dort oben im Himmel.« Sie schwenkte die Hand. »Und das alles hier? Es ist im Vergleich die reine Hölle. Aber das wissen Menschen nicht, ehe sie ›sterben‹. Was ihr Tod nennt, ist für uns die Geburt.«
»Aber warum retten Engel dann überhaupt jemanden mit diesen wundersamen Rettungsaktionen? Warum lassen sie nicht einfach alle sterben und in den Himmel aufsteigen?«
Genau dieselben Fragen hatte Idess vor vielen Jahrhunderten gestellt, und auch wenn Rami versucht hatte, es zu erklären, hatte es weitere Jahrhunderte gedauert, ehe sie es endlich wahrhaftig begriffen hatte. »Weil das Leben auf der Erde einen Zweck erfüllt. Die meisten Wunder, von denen man hört, betreffen Primori, die von ihren Memitim gerettet wurden. Ein Kind fällt von einem zwanzigstöckigen Haus in die Tiefe und überlebt ohne einen Kratzer. Eine Frau wird unter dem Geröll eines eingestürzten Gebäudes gefunden, zwei Wochen nachdem jede Hoffnung aufgegeben wurde. Ein Mann wird erhängt, und das Seil reißt, ehe er erstickt. Alles Rettungen durch Memitim. Genauer gesagt, durch mich.«
Träge streckte er die rechte Hand aus und zog Kreise auf ihrem Knie; zögernd zuerst, aber er lächelte über etwas, das die meisten nicht einmal als einfaches Vergnügen ansehen würden. »Aber ist das denn immer so? Du hast die Taube gerettet. Was, wenn sie eigentlich hätte sterben sollen?«
»Dann hätte nichts, was ich tun kann, etwas daran geändert. Wenn ich meine Energie in einen Menschen oder ein Tier leite, werden sie entweder geheilt, oder ihre Seele wird freigesetzt. Es ist ein bisschen so, als ob ich ihnen etwas entziehe – entweder entziehe ich ihnen das Leben oder den Tod. So oder so verhindere ich Leid und schenke Leben … auf der irdischen Ebene oder der himmlischen.«
»Und warum hast du das nicht bei mir getan, als mir das Messer in der Kehle steckte?«
»Weil ich nie weiß, was das Ergebnis sein wird. Ich hätte es bei dir versuchen und damit deine Seele fortschicken können. Und das durfte ich nicht riskieren.« Sein Verlust hätte sie die Aszension kosten können, aber viel schlimmer wäre gewesen, dass sie ihn verloren hätte. Wenn seine Seele dämonisch war, dann wäre er für immer fort gewesen.
Ihr drehte sich der Magen um; aber seltsamerweise nicht, weil seine Seele womöglich nicht menschlich sein könnte. Nein, was ihr Übelkeit verursachte, war die Erkenntnis, dass sie inzwischen so viel für ihn empfand, dass sie alles tun würde, um ihn nicht zu verlieren. Sie wollte mit ihm zusammenbleiben.
Dieselben Gefühle hatten zu ihrem Verrat an Rami geführt.
Lore schien ihre Sorge zu spüren, und sie hätte ihn küssen können, als er das Thema wechselte. »Du hast noch nie wirklich über deine Mutter gesprochen. Hast du sie je kennengelernt?«
»Wir haben keinerlei Kontakt, ehe wir aszendieren, und selbst dann … ich weiß es nicht.« Aber das
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