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Den du nicht siehst

Den du nicht siehst

Titel: Den du nicht siehst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mari Jungstedt
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solange es nichts Neues gab. Deshalb wurde beschlossen, dass Johan und Peter am nächsten Morgen nach Stockholm zurückkehren sollten.
    Johan hatte anschließend einige Tage Urlaub. Zuerst wollte er zu Hause Ordnung schaffen, dann seine Mutter besuchen und sich um sie kümmern. Sie hatte den Tod seines Vaters, der ein Jahr zuvor an Krebs gestorben war, noch längst nicht überwunden. Die vier Brüder gaben sich alle Mühe, sie zu trösten. Da Johan der Älteste war, schien es natürlich, dass er die meiste Verantwortung übernahm. Er wollte versuchen, sie aufzumuntern. Sie ins Kino und vielleicht ins Restaurant einladen. Und er wollte seine Ruhe haben. Lesen. Musik hören. Am Sonntag zum Fußball gehen, Hammarby gegen AIK. Sein Kumpel Andreas hatte Karten besorgt.
    Er hätte eigentlich zum Aufräumen in die Redaktion gehen müssen, beschloss aber, vorher noch einen Spaziergang durch die Stadt zu machen. Ein leichter Nieselregen fiel, doch Johan verzichtete auf einen Schirm. Er hob sein Gesicht in den Himmel, kniff die Augen zusammen und ließ die Tropfen über seine Wangen rollen. Er hatte den Regen immer schon geliebt. Regen wirkte beruhigend auf ihn. Bei der Beerdigung seines Vaters hatte es geregnet, und er wusste noch, dass der Regen ihm da irgendwie ein Trost gewesen war. Er hatte alles würdiger und friedlicher erscheinen lassen.
    In der Hästgatan sah er sie durch das große Fenster des Cafés auf der anderen Straßenseite. Sie saß allein an einem Fenstertisch und blätterte in einer Zeitung. Vor ihr stand ein hohes Glas Caffè latte.
    Johann blieb stehen. Wusste nicht, wie er sich verhalten sollte. Er hatte noch Zeit, bis er mit Peter in der Redaktion verabredet war. Ohne zu wissen, wie er sich ihr nähern oder was er sagen sollte, beschloss er, hineinzugehen.
    Das Café war fast menschenleer. Es überraschte ihn, wie modern es eingerichtet war. Sehr hohe Wände, Barhocker vor dem langen Tresen, auf dem italienische Panini mit Mozzarella oder Parmaschinken um Platz wetteiferten. Riesige Schokoladenmuffins thronten auf Tabletts. Funkelnde Kaffeemaschinen. Und eine attraktive Frau hinter der Kasse, die ihr Haar zu einem modischen, nachlässigen Knoten hochgesteckt hatte. Er hätte sich genauso gut in einem Café in Italien befinden können.
    Seltsam, in dem kleinen Visby so ein Lokal zu finden, dachte er. Aber seit die Insel einige Jahre zuvor eine Hochschule bekommen hatte, waren neue Lokale aus dem Boden geschossen, und die Stadt hatte auch in der Nebensaison hier und da Leben entwickelt.
    Emma saß am anderen Ende des Lokals. Als Johan auf sie zukam, schaute sie hoch.
    »Hallo«, sagte er und war sich gleichzeitig bewusst, wie schwachsinnig sein Lächeln wirken musste. Was hatte diese Frau nur an sich, das ihn dermaßen beeindruckte? Sie blickte fragend zu ihm auf. Himmel, sie hatte ihn nicht einmal erkannt! Aber gleich darauf änderte sich ihre Miene, und sie fuhr sich von der Seite her über die Haare.
    »Hallo. Du bist doch der Reporter. Johan, nicht?«
    »Genau. Johan Berg, von den Regionalnachrichten. Darf ich mich setzen?«
    »Natürlich.« Sie nahm ihre Zeitschrift vom Tisch.
    »Ich hole nur schnell einen Kaffee. Kann ich dir was mitbringen?«, fragte er.
    »Nein danke, ich hab alles, was ich brauche.«
    Johan bat um einen doppelten Espresso. Während er am Tresen wartete, musste er sie einfach ansehen. Ihre Haare lagen in schweren Locken auf ihren Schultern. Über einem weißen T-Shirt trug sie eine Jeansjacke. Und wieder verwaschene Jeans. Markante Augenbrauen und große, dunkle Augen. Sie steckte sich eine Zigarette an und schaute zu ihm herüber. Er merkte, dass er rot wurde. O verdammt.
    Er bezahlte den Espresso, ging an den Tisch zurück und nahm ihr gegenüber Platz.
    »Ich hätte nicht damit gerechnet, dass wir uns noch einmal begegnen.«
    »Ach was.« Sie musterte ihn forschend und zog an ihrer Zigarette. Die Spitze glühte auf.
    »Wie geht es dir?«, fragte er und kam sich vor wie ein Idiot.
    »Nicht so gut. Aber jetzt haben immerhin die Sommerferien angefangen. Ich bin Lehrerin«, erklärte sie. »Heute war die Abschlussfeier, und heute Nachmittag gibt es in der Schule ein Fest für Eltern und Kinder. Aber da kann ich nicht mitmachen. Mir geht es einfach zu schlecht. Der Mord an Helena. Ich kann das noch immer nicht fassen. Ich muss dauernd an sie denken.«
    Wieder zog sie an ihrer Zigarette.
    Johan fühlte sich genauso stark zu ihr hingezogen wie bei ihrer ersten Begegnung. Am liebsten

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