Den du nicht siehst
abgegriffenes Notizbuch und einen Kugelschreiber hervor.
»Ich weiß ja, dass Sie das alles schon erzählt haben, aber vielleicht ist Ihnen in der Zwischenzeit ja noch etwas eingefallen. Wie gut kannten Sie Helena Hillerström?«
»Ziemlich gut. Wir waren seit der Schulzeit befreundet. Helena und ich haben uns immer schon verstanden.«
»Wie oft waren Sie zusammen?«
»Auf dem Gymnasium gehörten wir zur gleichen Clique. Dabei waren auch mehrere von denen, die am Pfingstmontag auf der Party waren. Wir büffelten gemeinsam, gingen ins Kino, trafen uns nach der Schule und am Wochenende. Ja, wir hingen in diesen Jahren eigentlich dauernd zusammen.«
»War zwischen Ihnen und Helena mehr als nur Freundschaft?«
Die Antwort kam sehr schnell. Vielleicht ein wenig zu schnell, dachte Knutas.
»Nein. Wie schon gesagt, ich fand sie toll, aber zwischen uns ist nie etwas passiert. Wenn ich Single war, dann hatte sie einen Freund, und umgekehrt. Wir waren niemals gleichzeitig zu haben.«
»Was haben Sie für sie empfunden?«
Kristian schaute ihm in die Augen, als er antwortete. Seine Stimme klang ein wenig gereizt.
»Das habe ich doch schon erzählt. Ich fand sie sympathisch und attraktiv, aber sie hatte keine besondere Bedeutung für mich.«
Knutas merkte, dass er nicht weiterkam.
»Was wissen Sie über Helenas Exfreunde?«
»Tja, davon gibt es ja doch so einige. Sie war fast immer mit irgendwem zusammen. Meistens dauerte das nur zwei, drei Monate. Es waren Typen aus der Schule oder welche, die sie auf Partys getroffen hatte. Jungs, die hier den Sommer verbrachten und mit denen sie einige Wochen ein Verhältnis hatte, bis es dann Zeit für den Nächsten war. Meistens machte sie Schluss. Sie hat wirklich ziemlich viele Herzen gebrochen.«
Knutas hörte einen Hauch von Bitterkeit in Kristian Nordströms Stimme.
»Und dann war da noch dieser Lehrer, mit dem sie sich heimlich getroffen hat.«
Knutas runzelte die Stirn.
»Von wem reden Sie?«
»Von dem Sportlehrer an unserer Schule. Wie hieß er doch gleich … Hagman. Göran. Nein, Jan. Jan Hagman. Er war verheiratet, und da gab es natürlich viel Gerede.«
»Wann war das?«
Kristian schien nachzudenken.
»Das muss in der vorletzten Klasse gewesen sein, davor hatten wir einen anderen Lehrer, der dann in Pension ging. Helena und ich gingen in dieselbe Klasse. Auf den humanistischen Zweig.«
»Wie lange hat diese Beziehung gedauert?«
»Ich weiß nicht so genau. Sie haben sich über einen ziemlich langen Zeitraum getroffen. Es ging sicher mindestens ein halbes Jahr. Ich glaube, es begann vor Weihnachten, denn Helena hatte Emma erzählt, dass sie ihn in den Weihnachtsferien sehen würde. Emma erzählte mir davon, als sie auf einem Fest zu viel getrunken hatte. Eigentlich hätte sie darüber gar nicht sprechen dürfen. Aber sie machte sich Sorgen um Helena, sie war doch ihre beste Freundin. Schließlich war der Mann viel älter und verheiratet, und er hatte Kinder. Ich weiß noch, dass sie vor den Sommerferien auf einer Klassenfahrt nach Stockholm zusammen waren. Hagman war einer der Lehrer, die uns begleiteten. Irgendwer hatte gesehen, wie Helena sich nachts in sein Zimmer schlich, und das kam auch den anderen Lehrern zu Ohren. Als wir dann wieder zu Hause waren, ging es mit den Gerüchten erst richtig los. Kurz darauf verschwanden alle in die Sommerferien. Und später habe ich nie wieder von der Sache gehört. Nach den Ferien war Hagman nicht mehr an unserer Schule.«
»Haben Sie mit Helena über diese Beziehung zu ihrem Lehrer gesprochen?«
»Nein, das nicht. Wir merkten ja alle, dass die Sache ihr arg zu schaffen machte. Ich weiß noch, dass sie sich die ganzen Ferien hindurch nicht sehen ließ. Als die Schule dann wieder anfing, hatte sie mindestens zehn Kilo abgenommen. Sie sah bleich und fahl aus, während alle anderen gesund und sonnengebräunt waren. Daran erinnern sich sicher die meisten; es war so ungewöhnlich für Helena.«
»Warum erzählen Sie das alles erst jetzt?«
»Das weiß ich nicht. Ich hab nicht weiter darüber nachgedacht. Es ist doch so lange her. Fast zwanzig Jahre.«
»Haben Sie irgendeine Vorstellung, wer Helena ermordet haben könnte?«
»Nein«, erwiderte Kristian. »Ich habe wirklich keine Ahnung.«
Kristian Nordström brachte Knutas zur Tür. Die Hitze schlug ihnen entgegen, als sie aus dem kühlen Haus auf die Treppe traten. Draußen stand die Natur in voller Blüte.
Während Knutas zurück nach Visby fuhr, überschlugen
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