Den Jakobsweg erfahren - Drei Freunde mit dem Fahrrad von Lingen-Biene nach Santiago de Compostella (German Edition)
„Zieleinlauf“ am Ende des Tages wartet die Strecke noch mit einigen giftigen Bergwertungen auf, die bei heißem Wetter im kleinsten Gang gemeistert werden. Wir sind klatschnass.
In Leon lassen wir uns in der Auberge Municipal nieder. Die liegt etwa 1,5 Kilometer vom Stadtkern entfernt. In unmittelbarer Nähe befindet sich die Bereitschaftspolizei. Um Sicherheit brauchen wir uns darum wohl keine Sorgen machen. Die Herberge selbst könnte früher ein Teil dieser gewesen sein. Die Fahrräder finden im Ständer draußen noch so gerade einen Platz. Es sind wohl etliche Leute oder Pilger per Rad hier. Die Herberge ist im zweiten Stockwerk untergebracht und es gibt zum Glück einen, wenn auch kleinen, Fahrstuhl. So muss zwar einer etwas warten, denn mit Gepäck passen wir drei unmöglich zugleich hinein, aber das ist allemal bequemer, als mit den Fahrradtaschen, Schlafsack und Isomatte die Treppe hochzulaufen.
Hier gibt es richtige Zimmer mit je 8 Betten (4 Hochbetten). Und Steckdosen sind auch reichlich vorhanden. Heute sind wir die ersten in dem uns zugewiesenen Raum. Wir machen uns in den unteren Betten breit, denn wir wollen ja noch in die Stadt Tappas essen (;-)). Wir machen uns rein und weil meine Radlerklamotten, meiner Meinung nach, schon wieder muffen, wasche ich sie in dem großen Waschraum noch schnell durch. Hier gibt es sogar Trockenständer. Die nassen Sachen hänge ich da auf und bin schon ein wenig gespannt, ob sie morgen noch da sind.
Ein kroatischer Pilger hat sich während dessen auf unser Zimmer eingefunden. Ein junger Bursche, der gut Englisch spricht und total fertig ist. Ich versuche, ihn zu locken, mit uns zu kommen, aber er winkt lachend ab. Heute ist das DFB-Pokal Endspiel FC Bayern gegen Dortmund. Mit etwas Glück können wir das in einer Sportsbar sehen. Siggi und ich haben schon das Bayern-München-Shirt an, Timo, als bekennender HSV – Fan, das Hemd seines Vereins und dann geht es mit einem Stadtplan, den wir an der Rezeption der Herberge bekommen, in die City.
Nach einer gefühlten halben Stunde erreichen wir die Innenstadt. Wir machen zunächst eine mit elektronischem Touristenguide in deutscher Sprache geführte Besichtigung der monumentalen Kathedrale. Am Vorplatz werden wir von einer Luxemburgerin um Geld angebaggert. Sie sei beklaut worden und möchte von uns Bares, um wieder nach Hause zu kommen. Als wir nachhaken, wird sie pampig und geht. Die Geschichte war zu wenig glaubhaft, darum gab es kein Geld.
Danach widmen wir uns dem leiblichen Wohl. Als wir uns auf die Terrasse eines Lokals setzen, bemerken wir, wie eine relativ große Demonstration mit erheblicher Polizeipräsenz auf dem Vorplatz der Kathedrale abgehalten wird. Die Teilnehmer sind mit Transparenten ausgestattet und skandieren laut irgendwelche für uns nicht verständlichen Parolen. Nach einer knappen Stunden löst sich die Demo auf und Ruhe kehrt wieder ein. So wenden wir uns dem Wein und Tappas zu. Als wir die dritte oder vierte Gaststätte angesteuert haben, wir sitzen natürlich draußen, kommt eine „Horde“ junger Männer auf uns zu. Im letzten Moment denke ich, dass wir eine Abreibung bekommen, weil wir ja kein Real Madrid oder Barca Shirt tragen. Weit gefehlt. Wir werden in die Arme genommen, man macht Fotos mit uns und findet sogar lobende Worte für unsere Vereine. Der eine oder andere kennt sogar einige Spieler und dann müssen sie weiter.
Wir finden schließlich eine Gaststätte, in der außer uns nur zwei Frauen tuschelnd an der Theke sitzen, aber hier können wir Fußball gucken. Das Spiel verläuft aus unserer Sicht nicht so toll. Dortmund gewinnt mit 5:2. Egal. Dann wird Bayern eben Meister.
Weiter geht’s in die nächste Kneipe und in die nächste und so weiter. Ziemlich zum Ende unsere Tour finden wir eine schmale Gasse, in die wir noch mal hineinsehen wollen. Hier herrscht das pure Leben. Als wir entdeckt werden, findet eine umfangreiche Verbrüderungsaktion mit der spanischen Jugend Leons statt. Nach etlichen weiteren feucht-fröhlichen Minuten müssen wir aber doch gehen. Es wird Zeit. Morgen ist auch noch ein Tag und überhaupt.
Wir sind froh, wieder in der Herberge zu sein. Die Radlersachen im Waschraum sind beinahe Trocken und unser Mitpilger schläft selig. Wir krabbeln leise in unsere Schlafsäcke und dann fällt die Klappe.
57 gefahrene km, gesamt 2264,8 km
3:30 gefahrene Zeit, gesamt 136:35 Stunden
17:3 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit
13.05.2012 Sonntag
Tag 23
Leon (E) –
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