Den Jakobsweg erfahren
Spaniens mit Blattgold in Hülle und Fülle
ausgestattet sind, dafür verantwortlich, die Menschen in der Historie
ausgebeutet zu haben.
Der Pastor kontert damit, dass im
Mittelalter der einzelne Mensch nichts war und nur für die Gemeinschaft gelebt
habe. So seien die Reichtümer in der Kirche angehäuft worden. Er widmet uns
eine selbst bedruckte Postkarte mit einem Segensspruch, die wir dankend
annehmen und versprechen ihm, eine weitere Postkarte, die er nach Hause
schicken will, für ihn in einen Briefkasten einzuwerfen. Das Portogeld gibt er
uns gleich mit.
Die beiden Spanier wollen noch in
den Ort und verabschieden sich. Zu uns gesellt sich Wolfgang, ein Personalchef
einer größeren süddeutschen Sicherheitsfirma. Der trinkt Wein nur aus dem
Tetrapak. Dazu ein Stück Brot, das ist für ihn genug. Er kommt mit 10 € pro Tag
klar. Wir sind ja schon kniepig, aber etwas mehr „Luxus“ gönnen wir uns schon.
Die Niederländerin geht den
Jakobsweg schon zum zweiten Mal. Jetzt ist sie für eine schwer kranke Freundin
unterwegs. Sie empfiehlt uns dringend in der Kirche O’Cebreiro einen Moment
inne zu halten. Dort, so berichtet sie, geschehen manchmal wundersame Dinge.
Unser Gespräche müssen wir leider
beenden, da der Pastor erzählt, dass das Licht in der Herberge ohne Ankündigung
um 22:00 Uhr gelöscht wird. Es ist kurz vor zehn also schnell Tschüss gesagt
und ab auf die Matte. Ich habe mich gerade hingelegt und mich in meinen
Schlafsack eingemümmelt, als das Licht ausgeht.
87,3 gefahrene km, gesamt 2207,8
km
5:16 gefahrene Zeit, gesamt 133:15
Stunden
16,8 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit
12.05.2012
Samstag
Tag 22
Sahagún (E) – Leon (E)
Wir werden jeden Tag entspannter,
denn heute ist schon wieder Ausschlafen angesagt. Um 07:40 Uhr krabbeln wir
aber doch aus der Koje. Nach dem Waschen flicken wir drei Schläuche, die sich
in unseren Taschen angesammelt haben, für ihren nächsten Einsatz. Der Pastor
erzählte gestern, dass er immer zwei Waschbeckenstöpsel (jeweils einen Kleinen
und einen Großen) in seinem Gepäck mit sich führt. Da merkt man seine
Erfahrenheit. Wir sind gerade fertig mit unseren Aktivitäten, da ertönt schon
wieder der mahnende Ruf: „Peregrinos! Venga, venga!“
Das Reinigungskommando rückt an.
Wir schleppen unsere Taschen schnell nach unten, satteln die Räder und schieben
sie nach draußen.
Auf dem Platz vor der Herberge
hört man das Gurren der in dem löchrigen Mauerwerk nistenden Tauben. Wir radeln
zunächst wieder zu unserer gestrigen Wirkungsstätte und trinken, wie schon so
oft, einen Kaffee con Leche und zwei Americanos, Dazu essen wir ein leckeres
Croissant.
Dann kaufen wir noch Getränke in
dem kleinen Lebensmittelladen ein und machen uns auf den Weg. Weil der parallel
zur Nationalstraße verlaufende Jakobsweg hier sehr schmal und immer wieder von
Pfeilern eingeengt ist, fahren wir, um die Fußpilger nicht zu ärgern, auf der
Straße.
Als der Jakobsweg sich auf einer
historischen römischen Straße von der Nationalstraße in Richtung Steppe
entfernt, nehmen wir den Originalweg. Und da ist sie wieder, die schier
unendliche Weite. Die Fußpilger tun mir leid.
Um 11:30 Uhr machen wir in
Mansilla de las Mulas an der Sankt Martins Kirche halt und erfrischen uns mit
leckerem Tinto de Verano. Zu jedem Glas reicht der Gastwirt köstliche Tapas.
Die Räder haben Siggi und ich an einer Bank und Timo an einem Blumenkübel
angelehnt. Als eine ältere Dame vorbei kommt, verpasst sie Timo einen Einlauf,
denn die Hängegeranien werden ihrer Meinung nach dadurch in Mitleidenschaft
gezogen. Timo entschuldigt sich und stellt das Rad woanders ab.
Die drei italienischen Radpilger,
die sich in der Herbergshalle am Campingplatz in Castrojeriz morgens so laut
unterhalten haben, machen ebenfalls hier eine Pause, sind aber kühl und
distanziert, sodass kein Gespräch aufkommt.
Als wir noch ein Glas aufholen,
betritt ein Almöhi – Pilger, ein alter Mann mit langen grauen Haaren und langem
ebenso grauen Bart, die Kneipe. Von ihm müssen wir schnell noch ein Foto
schießen. Der alte Mann genießt den Rummel um seine Person sichtlich.
Dann geht es weiter in Richtung
Leon. In einem Ort bringen wir die Postkarte des Hann.-Mündener Pastors und
eine Postkarte an unseren Pastor in Biene in einem Tabac-Laden auf den Weg. In
vielen Orten vorher hatten wir das erfolglos versucht. In den meisten
Geschäften steht nur eine Postbox. Ein Laden mit Briefmarkenverkauf ist schon
eher
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