Den Jakobsweg erfahren
mache die Tür auf, sehe ein völlig
verdrecktes Stehklosett und mit dem Anblick ist mein Bedürfnis schon verflogen.
Als ich die Damen auf die nicht vorzeigbaren Hygienezustände anspreche, sagen sie,
dass die Toiletten hier doch eigentlich o.k. seien. Die sind wahrscheinlich
Schlimmeres gewohnt.
Dann geht’s wieder weiter. In San
Justo de la Vega, einem Vorort von Astorga, machen wir in der Café Bar Oasis
eine Pause, weil wir viel zu früh sind. Radpilger bekommen in den Herbergen
erst nach 17:00 Uhr eine Unterkunft. So ist sichergestellt, dass die Fußpilger
nicht leer ausgehen.
Als ich drinnen die erste Runde
bestelle, spricht mich ein älterer Mann mit englischem Akzent an: „Du bist
Deutscher!“ Ich bestätige und er sagt, dass er sich den Werbeaufdruck meines
Radlershirts „www.winterring.de“ zu Nutze gemacht hat. Dann will er wissen, was
wir trinken. Ich erkläre, was in den Gläsern ist und er bestellt zweimal das
gleiche. Wir setzen und nach draußen. Er nimmt mit seiner Frau am Tisch direkt
neben uns Platz. Die beiden sind Fußpilger und kommen aus Virginia, U.S.A.. Wir
lästern über einige Buspilger mit Mini – Rucksack und unterhalten uns über
alles mögliche. Die Frau trägt eine große Sonnenbrille und klagt mehrfach leise
zu ihrem Mann über Schmerzen. Zunächst erschließt sich uns ihr Leiden nicht.
Irgendwann nimmt sie die Sonnenbrille ab und es zeigt sich ein Gesicht, dass
nach 12 Runden Profiboxen nicht schlimmer hätte aussehen können. Sie erklärt
uns, dass sie sich vor vier Tagen die Nase gebrochen habe. Als ich frage, was
die Ursache dafür gewesen ist, erzählt sie ihre Geschichte:
„Nach einem Wandertag lernen die
beiden ein französisches Ehepaar kennen. Die französische Frau konnte gut
Englisch, ihr Mann jedoch keine Silbe. Während sie mit der Frau ein langes
Gespräch führten, saß der Mann nur da und hörte zu. Als beiden am nächsten Tag
aufbrachen, war das französische Ehepaar bereits unterwegs. An einer langen
Geraden sahen sie den Franzosen im Graben sitzen. Die Frau kümmerte sich um den
Mann, ging dann aber, kurz bevor sie die beiden erreichten, allein weiter.
Die Amerikanerin macht sich Sorgen
um den Franzosen und vermutete einen Herzinfarkt oder ähnliches. Sie ging auf
ihn zu und fragte ihn: „Are you beeing o.k.?“ Sie bekam keine Antwort und
wiederholte die Frage einige Male. Ohne Erfolg. So gingen die Amerikaner
weiter. Was sollten sie machen!? Einige Kilometer weiter, völlig in Gedanken
versunken, bemerkte sie plötzlich, dass jemand sie am Arm ergriff und erschrak
derart heftig, dass sie nach vorn auf ihr Gesicht stürzte. Als sie sich wieder
etwas gefangen hatte, sah sie, dass es der Franzose war, der sie ergriffen
hatte. Der fragte zu ihrer Überraschung in akzentfreiem Englisch:“What do you
meaning with are you beeing o.k.?“ Dann ging der Franzose weiter. Warum er auf
einmal der englischen Sprache mächtig war und warum er sie von hinten angefasst
hat, konnte sie sich nicht erklären.
Nicht einmal fünf Minuten später
war ein pilgernder Arzt zur Stelle, der sie versorgte und mahnte, dass sie in
ein Krankenhaus müsse, wenn sie Kopfschmerzen bekäme oder sich übergeben müsse.
Das sei jedoch nicht eingetreten. In den U.S.A. hätte sie wohl einige Stunden
auf einen Arzt warten müssen, schickt sie augenzwinkernd hinterher.“ Wir
lachen.
Sie will noch von mir wissen, wie
weit es noch bis nach Astorga sei und ich antworte, dass ich schätze, dass es
wohl noch drei Kilometer sein könnten. Die beiden machen sich auf und wir
verweilen noch etwas bevor auch wir uns wieder auf den Weg machen. Während
dieser Rast hat sich jeder von uns zwei Litros (vier große Gläser) Tinto d. V.
gegönnt.
Ausradeln bis nach Astorga. Als
wir die Amerikaner überholen, stimme ich den alten John Denver Hit „Country
Roads“ an. Sie singen mit. Und wir winken uns zu. Nette Leute. In Astorga geht
es mit einer Überquerungshilfe über eine Bahnstrecke und dann in Serpentinen
hoch in die Stadt. Oben angekommen ist das mühsam angetrunkene Wohlfühl –
Gefühl bei mir dahin. Wieder einmal völlig in Schweiß gebadet und abgekämpft
stehen wir vor der Herberge und checken ein.
Die Herberge wird von zwei
Deutschen und einer Spanierin betrieben. Die Landsmänner kommen aus Köln. Einer
von ihnen spricht gerade mit einem Pilger eine Massage ab. Der Kölner
berichtet, dass er mit seinen heilenden Händen schon vielen Pilgern geholfen
habe. Siggi empfängt die Signale
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