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Den lass ich gleich an

Den lass ich gleich an

Titel: Den lass ich gleich an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Berg
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sich Gill hüstelnd an den Tisch.
    »Kind, du musst mal raus«, befand sie. »Übernächste Woche ist dein Geburtstag, dein vierzigster. Und es sind Schulferien. Weißt du was? Ich schenke dir einen Urlaub im Süden. Heute war ich im Reisebüro und habe ein sehr schönes Familienhotel auf Mallorca gefunden. Direkt am Meer. Es ist ein Sunny Beach Club, du hast bestimmt davon gehört, die gibt es auf der ganzen Welt. Ideal für Familien, und Kinderbetreuung bieten sie auch an.«
    Nun war es Lulu, die angstvoll die Augen aufriss. »O nein, Mutter, lauter glückliche Familien, so weit das Auge reicht – das halte ich nicht aus!«
    Lotte dagegen war auf einmal richtig aufgekratzt. »Fahren wir weg? Wirklich, Mami? Fahren wir endlich ans Meer?«
    Lulu schüttelte den Kopf.
    »Es wäre auch gut für Lotte«, insistierte Gill, während sie einen bunten Flyer aus der Tasche zog. »Sieh mal, so sieht das Hotel aus. Hier fällt euch doch der Putz auf die Schüssel, wie du immer sagst. Tank mal ein bisschen Sonne. Das ist gut für die Seele: Meer, Strand, Wasserrutsche …«
    Ganz schön raffiniert, die liebe Oma, dachte Lulu wütend.
    Lotte reagierte prompt. »Ich will die Wasserrutsche! Bitte, Mami!« Sie flog in Lulus Arme. »Oder muss ich wieder in so ein doofes Sommercamp?«
    Triumphierend hielt Gill den Prospekt hoch. Sie hatte gewonnen. Wenn Lulu ablehnte, stand sie für alle Zeiten als herzlose Mami da, die ihrem Kind den Traumurlaub vermasselte.
    »Also gut«, sagte sie achselzuckend. »Zeit hätte ich. Die neuen Kampagnen sind in acht Tagen durch. Aber wenn das Hotel so schrecklich ist, wie es aussieht, fahren wir sofort wieder zurück.«
    »Machen wir nicht!«, funkelte Lotte sie an. »Ich hab’s geträumt, und jetzt wird der Traum wahr! Bestimmt gibt’s da auch Piraten!«
    Lulu verteilte Spaghetti und Tomatensauce auf die Teller und stellte auch Gill eine Portion hin. Als Friedensangebot. Eigentlich war Gills Vorschlag nämlich ziemlich nett. Rasend nett sogar.
    »Ist vielleicht wirklich eine gute Idee«, lenkte Lulu ein.
    »Und wer weiß, am Ende lernst du sogar jemanden kennen«, lächelte Gill.
    Lulu drehte eine Gabel Spaghetti auf dem Teller. »Viele, viele Kinder und viele, viele verheiratete Männer. Trotzdem: Danke schön.«
    »Vergiss nicht, dir einen neuen Bikini zu kaufen«, fügte Gill hinzu. »Man kann nie wissen …«»Nein!« Lulu starrte voller Entsetzen in den Spiegel.
    Was der junge Mann mit der asymmetrischen Strähnchenfrisur und dem silbernen Totenkopf im linken Ohrläppchen ihr gerade empfohlen hatte, war eine Zumutung. Sie sollte sich von acht Zentimetern ihrer Locken trennen, eine Tönung akzeptieren und eine Ölhaarkur über sich ergehen lassen, die drei Stunden dauerte!
    Neben ihr saß Sabrina, die Lulu in den Friseursalon geschleppt hatte. Der Laden hieß sinnigerweise »Kamm 2 cut«. Er war hellgrün gestrichen, Stühle und Sessel erstrahlten in Orange, und unablässig wummerte Rapmusik aus den Boxen. Stirnrunzelnd sah Sabrina zu, wie sich Lulu den Friseurumhang von den Schultern riss.
    »Was – nein?«
    »Ich will mich nicht verbiegen!« Mit einer heftigen Bewegung schleuderte Lulu den Umhang auf den Boden.
    Der junge Friseur grinste. »Sie sind schon verbogen, wenn ich das mal so sagen darf.« Er griff in Lulus Locken. »Die Spitzen sind gespalten, das Haar ist so trocken, als hätten Sie noch nie was von Conditioner gehört, und die ersten grauen Haare sind auch schon da. Sie sehen aus – sorry – wie ein alter Wischmopp.«
    Wie bitte? Lulu warf ihrer Freundin einen hilfesuchenden Blick zu. »Sag, dass das nicht wahr ist.«
    Doch Sabrina zuckte mit den Achseln. »Dann müsste ich schwindeln. Schatz, du bist ein Knaller, aber deine Haare wirken so, als ob irgendwelche Tiere darin nisten.«
    Sie schlug die Beine übereinander, so dass ihr türkisfarbenesMinikleid etwas höher rutschte, zu dem sie ein gelbes Bolerojäckchen und kleine gelbe Plastikohrringe trug. Zusammen mit dem roten Haar war Sabrina eine farbenfrohe Erscheinung. Lulu dagegen trug eine graue Armyhose, ein graues T-Shirt und derbe Stiefel. Je länger sie in den Spiegel sah, desto kleinlauter wurde sie.
    »Also gut – fünf Zentimeter, mehr nicht.«
    Der Friseur tätschelte ihr die Schulter. »Sieben. Jetzt bringe ich Ihnen einen schönen Espresso und etwas zu lesen.«
    Mit einem gekonnten Hüftschwung ging er zur Espressomaschine, die auf dem Tresen aus gehämmertem Stahl stand.
    »Ist das hier nicht viel zu teuer

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