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Den lass ich gleich an

Den lass ich gleich an

Titel: Den lass ich gleich an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Berg
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weder logisch noch berechenbar. Sie taten die unmöglichsten Dinge im unpassendsten Moment. Man musste immer auf alles gefasst sein. Doch dieser Typ war auf gar nichts gefasst. Ungläubig starrte er die schleimige Marshmallow-Suppe auf seinem T-Shirt an.
    Lulu zog eine Packung Papiertaschentücher aus ihrem Rucksack und reichte sie einer dicken Frau, die vor ihr saß.
    »Entschuldigung, könnten Sie die Taschentücher dem Herrn da vorn geben?«
    Ohne ein Wort nahm die Frau die Packung und hielt sie dem immer noch fassungslosen Vater hin. Er griff danach und säuberte stumm sein T-Shirt, bevor er sich wieder setzte. Lulu schwankte zwischen Mitleid und einer winzigen Spur Schadenfreude. Eigentlich hatten es diese Rabenväter verdient, sich mal mit der Realität auseinanderzusetzen. Lottes Vater meldete sich genau zweimal im Jahr: zu Lottes Geburtstag und zu Weihnachten. Dann ging ermit Lotte zu McDonald’s, überschüttete sie mit Barbiepuppen, und das war’s dann auch.
    Der Bus legte sich wieder in die Kurve, bremste abrupt und hielt. Mit heftigem Gedrängel stiegen alle aus, nur Lulu blieb bis zuletzt sitzen. Alles in ihr sträubte sich gegen diesen Urlaub. Zum ersten Mal fühlte sie sich sehr einsam, so ohne Mann, umgeben von Paaren mit Kindern. Dann straffte sie ihre Schultern. Wenn sie schon keinen Spaß hatte, dann sollte sich wenigstens Lotte amüsieren. Ergeben kletterte sie aus dem Bus.
    Der Sunny Beach Club war ein riesiger Betonkasten, den man mit ein paar Türmchen und Zinnen verziert hatte wie einen Hochzeitskuchen. Immerhin standen Palmen davor, die Luft war warm, und von ferne hörte man das Meer rauschen. Wenn man sich die Busse wegdachte, die unaufhörlich neue Gäste ausspuckten, konnte man durchaus von Urlaubsidylle sprechen.
    Urlaubsreif war Lulu ohne Frage. Die letzten Fotoshootings waren ziemlich anstrengend gewesen. Nach dem Joghurt waren Haarspray, Pralinen und schließlich Lippenstifte dran gewesen. Einmal war auch noch Mike aufgekreuzt, und sie hatte erleben müssen, wie er alles anfiel, was weiblich, unter dreißig und unter fünfzig Kilo war.
    Nun wollte sie nur vergessen, und zwar gründlich. Schade, dass es keine Löschtaste für unangenehme Erinnerungen gab …
    Entschlossen raffte sie das Gepäck zusammen und ging mit Lotte ins Hotelfoyer. Dort wurden sie fast von denvielen umherflitzenden Kindern umgerissen, die schreiend Fangen spielten. Eine Blaskapelle begrüßte die Neuankömmlinge mit »La Cucaracha«. Und mitten in dem Durcheinander spazierten eng umschlungene Paare umher. Als müsste man nur mit den Fingern schnippen, um den Richtigen zu finden.
    Dieser Urlaub versprach ein einziger Horrortrip zu werden. Steh es durch, dachte Lulu. Tu’s für Lotte. Augen zu und durch. Mutig kämpfte sie sich zur Rezeption vor.
    »Buenas tardes«, sagte sie fast akzentfrei. Sie hatte gewissenhaft Spanisch geübt. »Por favor – Lulu Kleefeld.«
    Der Rezeptionist war ein junger Mann, der nicht besonders landestypisch aussah. Er war hellblond, sommersprossig und trug ein grellgemustertes Hawaiihemd.
    »Guten Abend. Du reist allein?«, fragte er in einem eher schwedisch als spanisch klingenden Deutsch.
    Lulu sah ihn verblüfft an. »Du? Kennen wir uns?«
    »Nee, aber hier duzen sich alle. Also – allein?«, fragte der junge Typ noch einmal.
    »Herrje«, Lulu verdrehte die Augen. »Wir sind zu zweit.«
    Der Rezeptionist warf einen kurzen Blick auf Lotte. »Ach so. Also – im Prinzip allein. Ich empfehle ein Single-Appartement. Wir stellen gern ein Kinderbett dazu.«
    »Moment mal«, protestierte Lulu. »Was ist mit der Traumsuite inklusive Meerblick passiert? Meine Mutter …«
    »Wir sind völlig überbucht, leider«, entschuldigte sich der Hotelangestellte. »Es sind nur noch Single-Appartementsfrei. Unsere Gäste sind hauptsächlich Familien. Und die gehen vor.«
    Lulu musste schwer an sich halten, um nicht zu explodieren. »Hab schon verstanden. Alleinreisende Frauen mit Kind sind keine Familien, sondern das Allerletzte, oder?«
    Der Rezeptionist ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Zimmer dreihundertelf im dritten Stock. Ab neun Uhr morgens kannst du die Kleine in den Juniorclub bringen.«
    Elektrisiert starrte Lotte ihn an. »Juniorclub?«
    »Eigentlich hatte ich nicht vor, meine Tochter in einer Betreuung zu entsorgen«, erklärte Lulu kalt.
    Lotte bekam rote Bäckchen vor Aufregung. »Gibt es im Juniorclub etwa eine – Wasserrutsche?«
    Wie ein Automat zählte der junge Mann auf:

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