Den lass ich gleich an
du? Ich bin eine komplette Niete«, seufzte Lulu.
»Na ja, so doll war er auch wieder nicht«, sagte Sabrina. »Was ist mit dem Internet? Da gibt es doch massenhaft Männer.«
Lulu zuckte die Schultern. »Die Aktion ›Mutter sucht Schraube‹ ist ein Rohrkrepierer, abgesehen von einem Rentner und einem verklemmten Studenten. Resteflirten? Nee.«
»Mama, was ist Resteflirten?«, wollte Lotte wissen.
»Die Krümel aufsammeln, die vom Buffet fallen«, erwiderte Lulu.
Sabrina musterte sie nachdenklich. »Hast du schon mal darüber nachgedacht, dich ein bisschen um dein Äußeres zu kümmern? Ich meine, du bist eine tolle Frau, aber du versteckst deine Weiblichkeit, würde ich sagen.«
»Jetzt fang du nicht auch noch damit an!«, fauchte Lulu. »Ich bin nun mal keine Frau, die in irgendwelchen Barbiekleidchen rumrennt. Ich habe genug damit zu tun, meinen Alltag auf die Reihe zu bekommen.«
»Mama will nicht hübsch sein«, sagte Lotte schlicht.
Wieder war Lulu den Tränen nahe. Sie stand auf. Der Appetit auf Eis war ihr vergangen. Sie fühlte sich in die Ecke gedrängt. Alle meckerten plötzlich an ihr herum.
Behutsam umarmte Sabrina ihre glücklose Freundin. »Du wirst sehen: Der Richtige taucht schon noch auf. Und zwar dann, wenn du es am wenigsten erwartest. Das nächste Mal rufst du mich an, wenn was passiert. Vorher. Dann können wir auch dein Styling besprechen.«
»Betreutes Verlieben«, murmelte Lulu. »Am bestenkommst du mit, falls ich jemals in diesem Leben noch ein Date haben sollte.«
Sie nahm Lottes Hand, ging zum Tresen und kramte ihr Portemonnaie aus der Tasche.
»No, no, no, Bella, das gehte auf Haus«, protestierte Giuseppe.
»Dann revanchiere ich mich wenigstens mit Fotos aus meiner Sammlung. Gräser im Gegenlicht. Die kann ich dir auf Postergröße entwickeln – wie fändest du das?«
»Bellissimo!«, strahlte Giuseppe und hob die Hände, mit der typischen Geste eines Südländers, der sagen will: Das Leben ist unglaublich kompliziert, aber nicht hoffnungslos. Lulu hätte ihm gern geglaubt.
Auf der Fahrt nach Hause war sie einsilbig. Mikes Blick ging ihr nicht aus dem Kopf, dieser spöttische Blick, als sie im Studio wieder zu sich gekommen war. Wortlos hatte er ihr eine Plastiktüte in die Hand gedrückt, mit ihren High Heels und sämtlichen Toilettenpapierknödeln. Was für eine Demütigung.
Mit letzter Kraft erreichte sie die Wohnung. Lotte spürte längst, dass etwas nicht stimmte, und machte sich ohne die üblichen Ermahnungen an ihre Hausaufgaben. Während Lulu Spaghettiwasser aufsetzte, liefen ihr Tränen über die Wangen. Ihr Blick schweifte durch die gemütliche Wohnküche, über die bunten Kinderzeichnungen, die an der Wand hingen. Lotte war das Wichtigste, klar. Aber sie selbst blieb auf der Strecke. Musste sie sich etwa damit abfinden?
So wie an viel zu vielen Abenden würde sie auch heute mit einer Tafel Schokolade allein auf dem Sofa sitzen und einen alten Liebesfilm einwerfen. Sie würde eine Packung Kleenex durchheulen und ein Happy End erleben, das im wahren Leben nie kam. War das alles? Ja, das war alles.
Jetzt blieb ihr nur Barry White. Die CD lag noch im Player, und Lulu startete »You’re the First, the Last, My Everything«. Doch es wollte einfach nicht klappen mit der befreiten Mitte und dem entspannten Sonnengeflecht. Was der gute Barry mit seiner Samtstimme versprach, war nicht für sie bestimmt. Sie stellte die Musik wieder aus. Ciao, Barry.
Es klingelte. Auf der Stelle begann ihr Herz zu klopfen. Ob das Mike war? Hatte er eingesehen, dass er sich danebenbenommen hatte?
Aufgeregt lief Lulu zur Haustür und öffnete sie. Natürlich war es nicht Mike. Es war Gill. Mit Tüten bepackt, rauschte sie an Lulu vorbei in die Küche.
»Ich dachte, ich füll mal deinen Kühlschrank auf«, erklärte sie.
Dann packte sie aus: Äpfel, Bananen, Weintrauben, Käse, Wurst, Schinken, Krabbensalat, Marmelade, zwei Flaschen Wein. Und Joghurt, ausgerechnet Joghurt.
»Oh, hallo Gill«, sagte Lotte, die in die Küche spähte. Auf ihrem Gesicht malte sich pure Angst. »Geht Mama heute wieder weg?«
»Nein, Mama bleibt hier«, antwortete Lulu. »Bis in alle Ewigkeit.«
Teilnahmslos sah sie zu, wie Gill ihre kulinarische Ausbeute im Kühlschrank verstaute. Dann erinnerte sie sich an die Nudeln und konnte gerade noch verhindern, dass sie wie üblich zu einem klumpigen Etwas verkochten. Während sie ihre legendäre Extra-schnell-Tomatensauce auf Ketchupbasis anrührte, setzte
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