Den lass ich gleich an
soll ich da?«
»Investieren«, erklärte Sabrina geschäftig. »In die Frau,die du mal warst und die allmählich wieder zum Vorschein kommen sollte. Deine Jeans gehört ins Bergbaumuseum, und dein ›It’s a girl‹-T-Shirt hat ein Mottenloch unter dem Arm. Ganz abgesehen davon, dass Frauen ein Privileg haben.«
»Äh – ja?«
»Sie dürfen Kleider anziehen, ohne dass man sich über ihre sexuelle Orientierung Gedanken machen muss. Du hast Beine, du hast Busen, warum versteckst du das alles? Noch dazu bei der Hitze hier?«
»Weil ich kein Weibchen bin«, verteidigte sich Lulu, so gut sie konnte.
»Mami will keine Tussi sein«, ergänzte Lotte.
»Ach, jetzt komm bloß nicht wieder mit dem Barbieargument um die Ecke«, konterte Sabrina. »Was ist, wenn sich mit Alex doch noch alles aufklärt und er dich zum Essen einlädt? Oder ein anderer Mann? Willst du dann aussehen wie ein Klempner, der gerade das Klo repariert hat?«
Lulu verdrehte die Augen. Wollte sie das?
Sobald sie zehn Minuten später im Hotelshop standen, fühlte sie sich allerdings völlig überfordert. Die vielen bunten Bikinis, Tops und Strandkleider machten sie nervös. Dies ganze Modegedöns, das Frauen trugen, die Männer um den Finger wickelten – eine Kunst, die sie nicht beherrschte. Instinktiv heftete sich ihr Blick auf ein graues T-Shirt mit der Aufschrift »Sunny beach forever«.
»Grau ist durch«, knurrte Sabrina und hielt ihr ein tief ausgeschnittenes Sommerkleid hin, das mit großen, rotenKlatschmohnblüten bedruckt war. Auch Lotte war fündig geworden und brachte ihr ein winziges rosa Top mit Pailletten.
»Mami, das ist schön!«, erklärte sie und schmiegte sich an Lulu. »Damit siehst du wie eine Prinzessin aus!«
Lulu erstarrte. Doch nicht wegen der ungewohnten Klamotten. Gerade betrat Alex den Hotelshop. Er trug Khakishorts und ein weißes T-Shirt, über seiner Schulter hing der Riemen seiner Badetasche. Noch nie hatte sie einen anbetungswürdigeren Mann gesehen.
Sofort hatte sie einen Schweißausbruch. Alex, verdammt! Nichts war geklärt. Dies war der unpassendste Moment, um ihm Lotte vorzustellen! Ohne Vorwarnung riss Lulu ihr Kind mit sich zu Boden und robbte auf die Umkleidekabine zu.
»Psst«, flüsterte sie. »Keinen Ton. Ich erklär’s dir später.«
»Aber Mami«, wisperte Lotte. »Warum …?«
»Pssssst!«
Fast hatte Lulu die rettende Kabine erreicht, als sie hörte, wie Alex Sabrina ansprach.
»Entschuldigen Sie, darf ich Sie mal was fragen? Wie finden Sie diese Badehose? Es ist so, dass ich, na ja, ich habe eine neue Freundin, deshalb … Soll ich sie mal anprobieren?«
Lulu bebte am ganzen Körper, als sie sich vorsichtig aufrichtete und über einen Stapel T-Shirts hinweg einen Blick wagte. Alex hatte eine dunkelblaue Badehose mit grünen Streifen in der Hand. Eine neue Freundin also. Er kleidetesich für das junge Ding ein! Sollte sie ihm eine Szene machen? Aber das war nichts für Lottes Ohren.
»Anprobieren?« Sabrina sah in Richtung Umkleidekabine, und Lulu duckte sich schnell weg. »In der Kabine da?«
»Sie glauben doch wohl nicht, dass ich mich öffentlich ausziehe, oder?«
O nein, gleich würde er sie finden, zusammengekauert am Boden und mit Lotte im Arm. Lulu wurde kurzzeitig schwarz vor Augen. Ein Schweißgerinnsel lief ihren Rücken hinunter.
»Nee, die sollten Sie nicht anprobieren«, wehrte Sabrina ab. »Die macht alt.«
»Aha. Und die rote hier?«
Hörte das denn gar nicht mehr auf? Gequält sah Lulu Lotte an, die mucksmäuschenstill auf dem Boden saß und Grimassen schnitt.
»Rot wirkt bemüht jugendlich. Tut mir leid, hier werden Sie nichts finden«, sagte Sabrina cool. »Aber ein paar Straßen weiter soll es einen phantastischen Laden geben, den kann ich Ihnen empfehlen.«
»Hm. Aber die rote …«
»… ist wirklich nichts für Sie!« Sabrinas Stimme nahm einen leicht hysterischen Klang an. »Schönen Gruß an Ihre Freundin, die wird mir dankbar sein, dass ich Sie vor diesem Teil bewahrt habe.«
»Tja, dann gehe ich mal. Schönen Tag noch.«
Ein paar Sekunden wartete Lulu, dann rappelte sie sich auf. Auch Lotte sprang auf die Füße.
»Mami, hast du was angestellt? Und warum mussten wir hier auf dem Boden hocken?«
Nun musste Lulu eine ziemlich komplizierte Geschichte erzählen, von Erwachsenen, die manchmal Verstecken spielten, und von einem Preis, den es zu gewinnen gab. Sie fühlte sich grauenhaft dabei. Jetzt belog sie auch schon Lotte. Warum hatte sie nicht einfach
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