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Den lass ich gleich an

Den lass ich gleich an

Titel: Den lass ich gleich an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Berg
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die Flucht nach vorn angetreten? Dann hätte sie Alex auch gleich wegen der dunkelhaarigen Schönheit zur Rede stellen können.
    »Also, ich versteh’s nicht«, stöhnte Sabrina. »Der Typ ist kein Doppelbohrer. Wenn ich nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, wie der dieses Mädel gestern getroffen hat …«
    Entmutigt ließ Lulu die Schultern hängen. »Komm, wir können uns die Aktion ›Machen Sie das Beste aus Ihrem Typ‹ sparen. Ich habe keine Lust auf Klamotten mehr.«
    »Jetzt gib bloß nicht auf. Tu’s für dich, wenn schon nicht für Alex«, befand Sabrina. »Probier das Kleid doch wenigstens mal an!«
    Unter Protest zog sich Lulu in die Umkleidekabine zurück. Missmutig pellte sie sich aus ihrer Jeans und dem T-Shirt, das in der Tat schon bessere Zeiten gesehen hatte. Sobald sie den kühlen, leichten Stoff des Kleides auf dem Körper spürte, bekam sie eine Gänsehaut. Bis auf das gebatikte Hippiehängerchen aus ihrer Phase mit Keanu, dem Straßenmusiker, hatte sie nie Kleider getragen. Geschweige denn so viel Haut gezeigt.
    Unsicher zog sie den Vorhang der Umkleidekabine beiseite und begutachtete sich im Spiegel zwischen den Regalen. Sie erkannte sich kaum. Als hätte sie jemand mit dem Zauberstab berührt.
    »Das Projekt ›Lulu wird wieder eine Frau‹ macht Fortschritte«, begeisterte sich Sabrina. »Du liebe Güte, und darauf hast du all die Jahre freiwillig verzichtet?«
    Lulu nickte verlegen. Das alles war ein bisschen überwältigend für sie. Doch sie wusste, dass Sabrina ihr wirklich helfen wollte. Also ließ sie sich darauf ein, noch zwei weitere Kleider anzuprobieren und in die filigranen Strasssandalen zu schlüpfen, die ihre Freundin ihr hinstellte.
    »Wovon soll ich das bezahlen?«, hauchte sie, als sie mit ihrer Ausbeute zur Kasse gingen.
    »Du lässt es auf die Hotelrechnung schreiben«, erwiderte Sabrina. »Soweit ich Philipp verstanden habe, wird dieser Mike dich mit Geld zuschütten. Wenn du abreist, bezahlst du alles.«
    »So einfach ist das?«, fragte Lulu, die immer noch nicht ganz fassen konnte, wie ihr geschah.
    »Hast du es lieber kompliziert?«, fragte Sabrina zurück. »Probier noch die Pumps hier an, die sind besser zu den Kleidern als deine müffeligen Turnschuhe.«
    Mit hohen Absätzen hatte Lulu nun mal schlechte Erfahrungen gemacht, dennoch zog sie brav den Schuh an, den Sabrina entdeckt hatte, ein zartes Nichts aus lachsfarbenem Wildleder. Es war erstaunlich, wie gut er saß. Und wie gut sie sich darin fühlte. Wie eine – ja, wie eine Frau.
    Forschend sah Sabrina ihr ins Gesicht. »Ist der Schuh gebongt?«
    Lulu strahlte. »Den lass ich gleich an!«
    Um fünf nach zwölf erschienen Lulu und Sabrina vor dem Hoteleingang. Lulu trug das Kleid mit den Klatschmohnblüten und die Strasssandalen, in denen ihre frisch lackierten, feuerroten Fußnägel zur Geltung kamen.
    »Wow, was ist denn mit dir passiert?«, fragte Philipp.
    »Aschenputtel war mit der guten Fee shoppen. Gefällt es dir?«
    Philipp nickte beeindruckt. Dann deutete er auf den Chauffeur in dunkelgrauer Uniform und Schirmmütze, der schon auf sie wartete. Der Wagen war sensationell. Eine Stretchlimo in poliertem Schwarz, in deren Innerem sich neben hellbeigen Ledersitzen ein Flatscreen und eine Minibar verbargen.
    Total übertrieben das Ganze, fand Lulu. Typisch Mike eben, der musste unbedingt seine Angebernummer durchziehen. Der Chauffeur verstaute Sabrinas Gepäck und die Fotoausrüstung im Kofferraum. Dann stiegen sie alle ein. Immer wieder kontrollierte Lulu ihren Rucksack. Auf einen professionellen Termin war sie zwar nicht vorbereitet gewesen, doch da sie Gräser und Kinder im Gegenlicht mit der gleichen Sorgfalt wie Scheuermilch und Joghurt fotografierte, hatte sie alles Notwendige dabei, wie sie aufatmend feststellte.
    Fast lautlos glitt der Wagen aus der Einfahrt des Hotelsauf eine von Palmen gesäumte Allee und bog schon wenige Minuten später auf die Autobahn. Zum ersten Mal nahm Lulu wahr, wo sie sich eigentlich befand: auf einer Insel, die weit mehr zu bieten hatte als einen Streifen Strand mit angeschlossener Hotelanlage. Hinter der hügeligen Landschaft hoben sich dunkelgrüne Bergmassive ab, und rechts und links der Autobahn flogen Olivenhaine und Felder mit Mandelbäumen vorbei.
    Wohlig räkelte sich Lulu in den weichen Polstern. Wenn nur Alex nicht gewesen wäre. Unwillig wischte sie den Gedanken beiseite. Was auch immer diesen Mann antrieb, er war ein Rätsel, das sie lieber nicht lösen

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