Den letzten beissen die WerWölfe
er nacheinander zwei Würstchen, etwas Speck, zwei Scheiben Blutwurst, Tomaten und ein Ei gleiten ließ. Das Frühstück untermalte Amy Macdonald mit »This Is The Life«.
Gegen 9.30 Uhr erschütterte ein lang gezogenes Rülpsen das kleine Dorf am Rande des Hohen Venns. Das Frühstück war beendet. Wenig später saß Nusselein in seinem Wagen und steuerte gut gelaunt die Redaktion an. Dass an diesem Tag auch der Besuch bei seiner Mutter in Prüm anstand, verdrängte er singend:
»Oh Blüte Schottlands,
wann werden wir wieder
Euresgleichen sehen,
Die Ihr kämpftet und starbt,
für euer bisschen Hügel und Tal.«
Gegen 9.40 Uhr erschütterte ein Grollen Schottland, da viele Highlander sich im Grabe umdrehten.
***
09.45 Uhr
Gottfried Zimmermann erreichte Nusselein, als dieser gerade das belgische Ortsschild von Küchelscheid passierte. Er machte es kurz:
»Hör zu, ich nehme mir heute den alten Werwolf vor, du dir den alten Zöllner in Prüm.«
Nusselein stöhnte auf, da er sich gerade den anschließenden Besuch bei seiner Mutter vor Augen führte:
»Jung, warum hast du keine Mütze auf? Ich hatte dir doch mal so ’ne schöne gestrickt. Hast du die überhaupt noch?«
»Klar«, würde er sagen und der Mütze gedenken, die man ihm vor 25 Jahren in einer Berliner Kneipe namens »Brot und Spiele« gestohlen hatte. Er kann sie aber auch einfach liegen gelassen haben.
»Hörst du mir überhaupt zu?«, drang nun Kommissar Zimmermann wieder an sein Ohr.
»Entschuldigung, ich hatte an meine Mutter gedacht.«
»Nimm ein Präsent mit«, beendete der Kommissar das Gespräch und bog in Fringshaus Richtung Lammersdorf ab. Wenige Minuten später schwenkte er in die Lammersdorfer Straße »An der Vennhecke« ein. Vor dem Haus mit der runenähnlichen 24 parkte er seinen Wagen und stieg aus. Gegenüber fiel eine Gardine:
»Ich dachte Frau Blockwart ist in Dinslaken«, sprach der Kommissar zu sich selbst und schellte. Günther Feldhofer öffnete sofort:
»Bitte!«
»Kriminalpolizei! Zimmermann. Ich hätte da ein paar Fragen.«
»Ich wüsste nicht …«, antwortete Feldhofer abwehrend, während Gottfried Zimmermann ihn zur Seite schob und das Haus betrat. Er war sicher, Charly Huber hätte das in dieser Situation auch gemacht.
»Das ist eine …«, schnauzte Feldhofer.
»… eine: Was?«, schnauzte Zimmermann zurück. »Wollen Sie, dass wir uns vor der Nachbarschaft unterhalten?«
»Ich habe nichts zu verbergen.«
»Und genau das will ich nur überprüfen.«
Feldhofer hatte dichtes, graues, kurz geschnittenes Haar und war nach Schätzung des Kommissars rund 1,85 Meter groß, eine durchtrainiert wirkende Gestalt. Zu einer braunen Cordhose und einem Holzfällerhemd trug er eine graue Trachtenstrickjacke mit Edelweiß-Applikation. Unfreundlich wies er Zimmermann den Weg in sein Wohnzimmer. In der Stube im muffigen Omaundopa- Stil roch es nach alten Menschen, an den Wänden hingen Fotos von Statuen, die der Kommissar Arno Breker zuordnete. Auf dem Tisch lagen zerfledderte Ausgaben einer Zeitung mit dem Titel »Wiking- Ruf«, eine Überschrift konnte Zimmermann noch erkennen, ehe Feldhofer eine Rundfunkzeitung über den Stapel legte:
»Der unverwüstliche Haudegen der SS-Wiking.«
»Sie brauchen keine Tarnung über Ihre Gesinnungsblättchen zu legen, genau deshalb bin ich nämlich hier.«
»Ich wüsste nicht, was die Polizei meine Gesinnung angeht«, blaffte Feldhofer. »Leute wie ich sind Geächtete der deutschen Geschichte. So geht man nicht mit mir um.«
»Ich bin nicht vom Staatsschutz«, betonte Zimmermann, »ich bin von der Mordkommission.«
»Das wird ja immer schöner. Sind die Gemüter der Deutschen nicht schon genug erhitzt?«
»Ja, ja«, antworte der Kommissar genervt. »Sagt Ihnen der Name Fritz Rumbach etwas?«
»Sie kommen doch wohl nicht wegen dieser alten Geschichte. Oder haben Sie auch noch Fragen zu Napoleon? Natürlich kenne ich diesen Rumbach. Das war doch der Roetgener Büttel der ehemaligen Alliierten, die im Laufe des Krieges so viel Leid und Verderben über das deutsche Volk gebracht haben, das im Holocaust von Dresden mit katastrophalen Ausmaßen gipfelte. Lebt der eigentlich noch? Oder hat Wotan den aus dem Verkehr gezogen?«
Zimmermann stand auf:
»Fritz Rumbach ist am Dienstag in Roetgen ermordet wor-
den …«
»Ach, der war das! Habe ich im Radio gehört, diese Lokalblättchen hier lese ich nicht. ›Das schwarze Korps‹ war die letzte Zeitung, die ich bezogen habe«, warf
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