Den letzten beissen die WerWölfe
den Schmugglern gemeinsame Sache machten. Die waren ’ne Generation jünger als wir und hatten die harte Zeit gar nicht mitgemacht. Anfang der sechziger Jahre ging es ja nur noch um Kaffee und Zigaretten, und da lagen wir hier an Luxemburg und Belgien verdammt günstig. Hat Heininger Ihnen die Sache mit dem Panzerspähwagen erzählt?«
Als Nusselein bejahte, fuhr der ehemalige Zollbeamte fort:
»Den Panzer gab es damals nicht mehr. Die Zigaretten kamen in Pkws oder Lastwagen über die Grenze und wurden dann schnell unter die Händler gebracht, hier an der Grenze auch, aber hauptsächlich in den großen Städten: Frankfurt, Köln, Düsseldorf.«
Charly Nusselein unterbrach:
»Und was hatten Ihre toten Kollegen damit zu tun?«
»Die waren, wir haben das nie beweisen können, wahrscheinlich immer zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort, sprich: Grenzübergang oder Waldweg, und haben kräftig die Augen zugedrückt. Es gab immer schon Kollegen, da fragten wir uns, wie können die sich so manche Dinge leisten. Ich kannte ja unser Gehalt. Anfang der fünfziger Jahre keine 200 Mark.«
»Wie waren Biesenbach und Henkes denn in Verdacht geraten?«, fragte Nusselein.
»Genau wie die Kollegen in den fünfziger Jahren: die Autos zu groß, das Einfamilienhaus zu früh, den ersten Fernseher im Zollhaus, Italienurlaub statt Allgäu. Ich war damals ZBV …«
»Was waren Sie?«, forschte Nusselein nach.
»ZBV – ›Zur besonderen Verfügung‹ und kriegte im Kommissariat so einiges mit. Aber beweisen, nein beweisen konnten wir denen nichts. Die verkehrten sogar ganz frech und offen bei der Wölfin …«
»Das war die Wirtin der Kneipe in Niederprüm.«
»Sie sind aber gut informiert«, nickte Hans Paprotta.
»Man hat so seine Informanten«, entgegnete Nusselein und dachte: »Danke Mutter!«
Paprotta schaute in die Ferne:
»Da wären wir alle gerne hingegangen. Aber das tat man als Zöllner einfach nicht, da die Wölfin immer im Verdacht stand, die ›Schmuggel-Baronin‹ zu sein. Aber jetzt denken Sie nicht schlecht über uns Zöllner. Da trieben sich auch Polizisten rum, die später dick in Amt und Würden waren.«
»Hat man der Wölfin denn nie etwas nachweisen können?«, erkundigte sich Nusselein.
»Nur Kleinigkeiten, wenn überhaupt. Auf jeden Fall wurden, das war wohl 1963, von einem Bauern oben in Winterspelt Biesenbach und Henkes gefunden. Regelrecht hingerichtet. Die Sache wurde nie aufgeklärt. Ich erinnere mich nur noch, dass die Mordwaffe wohl eine alte Armeepistole war.«
»Sauer 38H?«, platzte es aus Nusselein raus.
»Ja, das kann sein«, nickte Paprotta anerkennend.
»Und bei der Wölfin?«, hakte der Journalist nach.
»Da hatten wir vom Zoll nur am Rande mit zu tun. Aber das war ja ein Messer gewesen.«
»Was wissen Sie zum Mord an der Wölfin?«
Paprotta überlegte:
»Erstochen, man sprach damals bei der Polizei von ›Mord im Milieu‹ und hat die Sache schnell zu den Akten gelegt. Da auch an der Zöllnersache recht halbherzig recherchiert wurde – man ahnte, dass sonst was rauskommen würde und wollte wohl auch die Witwen von den beiden schonen –, ist auch diese Sache schnell in den Aktenschränken verschwunden.«
»Und heute ist alles verjährt?«, forschte Nusselein.
»Das kann sein, ich bin mir aber nicht sicher. Erst 1979 schaffte der Bundestag die Verjährung für Mord gänzlich ab. Wie das gesetzlich genau ist, müssen Sie mal bei einer Staatsanwaltschaft erfragen.«
»Das heißt«, fragte Nusselein nach, »im Prinzip interessieren die Morde seit Jahren keine Sau mehr?«
Paprotta unterbrach den Journalisten:
»Ich weiß, was Sie meinen. Wie gesagt: Mit der Verjährung bin ich mir nicht so sicher. Fest steht auf jeden Fall: Schande verjährt nicht. Stellen Sie sich doch mal vor, in Ihrem Dorf kommt raus, dass der verdiente Schützenbruder noch in den sechziger Jahren an Morden beteiligt war. Der Mann kann sich doch hier in der Eifel den Strick nehmen oder auswandern.«
Nusselein nickte:
»Sie meinen, die Schande bleibt, auch wenn sie verjährt sein sollte.«
»Genau, das meine ich, die Verjährung spielt doch in der Eifel keine Rolle«, bekräftigte Paprotta. »Hier ist doch sogar noch der Hühnerdieb aus den fünfziger Jahren im Hirn der Menschen drin.«
»Noch eine letzte Frage …«
»Schade, wenn unsereins mal gebraucht wird.«
»… habe ich: die Wölfin …«
»Die hieß übrigens richtig: Elisabeth Lamberty, wurde aber nur Lilly genannt«, unterbrach Paprotta
Weitere Kostenlose Bücher