Den letzten beissen die WerWölfe
erreichte er in einer viertel Stunde den Ort und hielt neben dem »Haus Eifelglück«. Wie überall auf dem Lande, wo die Menschen maul- und fußfaul sind, waren nur wenige Personen auf der Straße. Endlich kam eine Frau mit einer Einkaufstüte die Straße entlang. Nusselein ging auf sie zu, während diese ihn misstrauisch musterte. Er nahm seinen ganzen Charme zusammen:
»Schönen guten Tag. Sind Sie von hier?«
Das Misstrauen im Gesicht der Frau blieb:
»Ja. Warum?«
»Ich suche eine Familie Lamberty hier ins Pronsfeld. Ich war früher in Prüm in der Schule«, log Nusselein nur ein wenig, »und suche alte Klassenkameraden.«
Das Misstrauen der Frau legte sich ein wenig:
»Ach so, aus Prüm sind sie. Am Auto steht aber AC.«
»Aachen, Kreis Aachen, ich wohne jetzt in Monschau.«
Nusselein war sicher, dass er mit dem Begriff »Städteregion« nur für Verwirrung gesorgt hätte. Die Frau gab sich aber zufrieden:
»Ach so«, sagte sie wieder, »Monschau – auch noch Eifel. Ja, ich kenne jeden im Dorf. Lamberty gibt es noch zwei: In der Lünebacher Straße, da müssen Sie dann noch mal fragen, und gleich da hinten das Haus mit dem Fachwerkgiebel, hier in der Hauptstraße.«
Nusselein bedankte sich und beschloss ganz gegen seine Art, die wenigen Meter zu Fuß zu gehen. Er steuerte zunächst das Haus an der Hauptstraße an. »Lamberty« stand in Ton gegossen an der Tür. Nusselein klingelte. Es dauerte eine Ewigkeit, ehe er Schritte schlurfen hörte. Eine Mittsechzigerin öffnete die Tür und trocknete sich die Hände an einer recht bunten Kittelschürze ab:
»Ja, bitte?«
Nusselein verfiel wieder in Charme:
»Schönen guten Tag, mein Name ist Nusselein. Ich bin Journalist und wollte Sie fragen, ob Ihnen der Name Elisabeth Lamberty noch etwas sagt, die ist Anfang der sechziger Jahre ermo…«
Weiter kam er nicht, da ihn die Frau anfauchte:
»Wir waren mit der Hure noch nicht einmal verwandt! Damit will ich nichts zu tun haben!«
Sprachs und knallte die Tür zu.
»Dann bleibt uns nur noch Lünebach«, murmelte Nusselein und schlenderte zu der gleichnamigen Straße. Vor einem Autohaus fragte er einen knurrigen Menschen im blauen Leinenanzug, der eine Schubkarre voller stinkender Schlachtabfälle vor sich herschob. Der Angesprochene blieb nur kurz stehen, deutete mit dem Kinn in eine Richtung, in der drei Häuser infrage kamen. Nusselein verspürte keine Lust, das Gespräch im Dunstkreis von Pansen und Blättermagen zu vertiefen. Eilig überquerte er die Straße, um zu den drei Häusern zu gelangen. Während er ging, schnauzte er den Autor dieses Buches an:
»Zieh’s nicht unnötig in die Länge! Es ist das erste Haus!«
Und tatsächlich, auf einem kleinen Klingelschild aus Messing stand Lamberty.
***
16.50 Uhr
Kaum zu glauben: Karl Jerusalem hatte sich – natürlich nur als Zweitgerät – einen CD-Player zugelegt. Allerdings zähneknirschend, das muss hinzugefügt werden, da sich die noch lebenden Liedermacher nach der Schallplatte einer so revolutionären Errungenschaft wie der CD zugewandt hatten. Für ein Sakrileg hielt Jerusalem dies trotzdem.
Er schaltete »Dieb« von Hans Söllner leiser und rief in Monschau an. Gottfried Zimmermann meldete sich sofort:
»Kripo Monschau, Zimmermann.«
»Kripo Eupen, Jerusalem«, äffte der Belgier den deutschen Kollegen nach. »Ich kann dir bei deinem Zwiebelturm weiterhelfen.«
»Wieder im Venn, gefüllt mit durchgeknallten Hippies«, lästerte der Monschauer.
»Diese Schmach wird wohl immer an mir hängen bleiben: Nein, die Kirche ist eindeutig die von Medell bei Amel, Richtung St. Vith. Für unsere Gegend tatsächlich ein außergewöhnlicher Turm. Ich schicke meine Amelner Kollegen mal raus, vielleicht bringt es was. Es muss ja einen Grund gegeben haben, warum die sich damals bei einem Richtfest für diese Betonhässlichkeit getroffen haben.«
»Vielleicht sitzen da gesellschaftliche Randgruppen drin und singen Hare Krishna?«
»Ist es denn langsam gut, Herr Preuße«, schimpfte Jerusalem nicht ganz ernst. »Die Eifeler Kollegen haben ein gutes Gespür. Vielleicht kann sich in Medell noch jemand erinnern. Das Foto sieht doch aus, als käme es aus einer Zeit, als ein Fotoapparat in der Eifel noch einen Volksauflauf verursachte. Ich melde mich wieder.«
Dann beendete er das Gespräch und startete die CD neu, da er die technischen Feinheiten einer Pausen-Funktion noch nicht ganz verinnerlicht hatte.
***
17.00 Uhr
Nusselein spielte einige Szenarien
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