Den letzten beissen die WerWölfe
erneut.
»… also, die soll eine Tochter gehabt haben.«
Hans Paprotta überlegte lange und lachte dann:
»Ja, da war was! Halb Prüm stand damals unter Vaterschaftsverdacht, aber die Wölfin hat immer geschwiegen. Erst nach dem Mord kam raus, dass wohl ein englischer Verbindungsoffizier, der hier der Kontaktmann zu den Amerikanern war, der Vater gewesen ist. Soviel ich weiß, hat der das Kind dann zu sich genommen.«
»Wer könnte darüber was wissen?«, forschte Nusselein nach.
Paprotta schüttelte den Kopf:
»Ich würde sagen: kein Mensch!«
»Gibt es denn keine Verwandten von der Lamberty hier?«, fragte Nusselein erneut.
»Verwandte gibt es in der Eifel immer. Aber nach dem Mord suchte man jemand für das Kind. Und da weiß ich, dass es immer hieß: Das Kind hat keine Verwandten – außer dem Engländer natürlich.«
Nusselein hatte keine Frage mehr, sprach noch ein paar Minuten über belanglose Dinge wie das Wetter und den Abzug der Amerikaner aus Prüm, ehe er sich von dem ehemaligen Zollbeamten verabschiedete und sogar den Kaffee bezahlte. Diesmal ließ er sich keine Quittung geben und pries sich als großzügig:
»So kommen die Verleger zu ihrem Reichtum, wenn wir Zeitungsschreiber die Spesen selbst übernehmen.«
Im Himmel jubelte Napoleon, der Schutzpatron der Journalisten: Der hatte nämlich mal einen Verleger erschießen lassen.
***
15.55 Uhr
Incitatus hatte sich nach seiner furchtbaren Niederlage nicht mehr durch die Katzenklappe getraut. Noch immer lag er mit einer blutenden Wunde über dem Auge in Nusseleins Bett. So eine Schlappe hatte er schon seit Jahren nicht mehr erlebt. Er erinnerte sich lediglich an ein Zusammentreffen mit einem Eichhörnchen. Die Krallen waren furchtbar scharf und spitz gewesen.
Incitatus wartete auf das knatternde Staubsauger-Geräusch des Mazdas, doch wenn man diese verdammten Menschen einmal braucht, sind sie natürlich nicht da.
***
16.00 Uhr
Gottfried Zimmermann hatte noch einmal ausführlich die Fotos aus dem Album des ermordeten Fritz Rumbach studiert. Wieder und wieder sah er sich die Bilder an und legte sie dann kopfschüttelnd zur Seite. Ein Bild blieb am Ende schließlich übrig: die Aufnahme mit Rumbach und den vier Männern neben einem fensterlosen Betonklotz mit Richtkranz und der Kirche mit Zwiebelturm im Hintergrund. Mit der Lupe sah er sich die Männer an, die diese typischen Endfünfzigerjahre Anzüge trugen. Ihm sagte, außer Rumbach natürlich, keiner was. Auch die Kirche im Hintergrund konnte er nirgendwo einordnen. Da es sich um einen Zwiebelturm handelte, wähnte der Kommissar die Szenerie eher im süddeutschen Raum. Doch irgendetwas ließ ihn stutzen und es befiel ihn ein Gefühl, das nur der kennt, der Eifel leben und spüren kann: Die Landschaft, das war eindeutig Eifel – nicht Allgäu, nicht Schwäbische Alb, nicht Niederbayern:
»Aber wo verdammt ist das?«, fluchte er und schickte das Foto per Mail (»Weiß einer, wo das in unserer Region ist?) ins Aachener Präsidium zur Spurensicherung:
»Keine Ahnung, ob die dafür überhaupt zuständig sind«, dachte der Kommissar, »aber im Weiterleiten bei Nichtzuständigkeit ist ein deutscher Beamter ja Weltmeister.«
Kurz überlegte Zimmermann, ob er das Foto auch an Karl Jerusalem nach Eupen schicken sollte:
»Zwiebeltürme in Ostbelgien? Gibt es bestimmt nicht.«
Dann tat er es doch.
»Ich habe schon Zwiebeltürme vor die Apotheke kotzen sehen.«
***
16.15 Uhr
Das Narbengesicht kam aus Lüttich zurück und erstattete Be-richt:
»Ich habe mich mit ihnen getroffen.«
»Kennst du eigentlich ihre Namen?«
»Natürlich nicht. Der Anführer nennt sich Pierrot le Fou.«
»Ich kann kein Französisch!«
»Das war ein Film mit Belmondo: Heißt was mit Clown und Narr.«
»Und?«
»Sie sind mit den 40.000 einverstanden.«
»Gut. Du überbringst!«
»Und meine, äh, Spesen?«
»Wieviel?«
»10 Prozent.«
»Halsabschneider!«
»Sie vergessen, wer bisher alles organisiert hat.«
»Halt einfach das Maul und mach deinen Job.«
»Ja, Chef.«
***
16.25 Uhr
Nusselein schaute auf seine schottische Armbanduhr. Kreisrund stand da »William ›Braveheart‹ Wallace – 1297 – Battle of Stirling Bridge«. Als Sekundenzeiger fungierte ein winziger Krieger, der die schottische Fahne schwenkte. Der Journalist sprach mit sich selbst:
»In Pronsfeld muss sich doch noch jemand an die Wölfin erinnern. Die paar Jahre sind in der Eifel doch nur ein Augenblick.«
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