Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Den letzten beißt das Schwein

Den letzten beißt das Schwein

Titel: Den letzten beißt das Schwein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Springenberg/Michael Bresser
Vom Netzwerk:
»Mal was anderes: Warum warst du eigentlich im Knast?«
    Eine »Tagesschau«-Folge später hatte ich Karin auf den aktuellen Stand gebracht. Dann vibrierte mein Handy, eine neue SMS. Während Frau Nannen ihr Auto aufschloss, klickte ich mich schnell durch. Hossa, jetzt kam Schwung in die Sache.

Gefährliche Kirmes

    Coesfelder Dorfkirmes, zehn Uhr abends. Halbstarke Jugendliche am Autoscooter, gröhlende Gestalten an der Bierbude, verhinderte Großwildjäger am Schießstand, und Dieter Nannen am Kettenkarussell.
    »Stehen Sie um zweiundzwanzig Uhr am Kettenkarussell in Coesfeld. Ich muss mit Ihnen reden«, so die Kurzmitteilung. Ohne Namen. Die Nummer war mir unbekannt. Langsam wurde es heiß und fettig, deshalb war ich noch mal kurz nach Hause gedüst, um meine Waffe zu holen.
    Konzentriert inspizierte ich die Umgebung. Ein rothaariger Bengel quengelte seinen Vater an, endlich den SpongeBob-Luftballon zu kaufen, wobei sich mir die Frage stellte, was ein Sechsjähriger um diese Zeit auf der Kirmes zu suchen hatte. Nun gut, andererseits war keiner gezwungen, die Grundschule in der Regelzeit von vier Jahren zu absolvieren. Sein Vater, ein durchtrainierter Endzwanziger in einem teuren Maßanzug — kleiner Scherz am Rande —, drückte seinem Sprössling ein Stück Salamipizza und eine Bierdose in die Flossen, um einen zerknitterten Fünfer aus der speckigen Buxe zu ziehen. Dann grunzte er irgendetwas, was sich entfernt nach »dann hol dir den Scheiß, aber nicht, dass ich den gleich schleppen muss« anhörte. Wieder ein glückliches Kind mehr auf der Welt.
    Als meine Augen auf der Suche nach dem potenziellen SMS-Versender bei einer Gruppe betrunkener Damen einen Stopp einlegten — die Shirts mit der Aufschrift »Billerbecker Kegelmuschis« ließen auf eine sportliche Truppe schließen —, kündigte sich die nächste Kurzmitteilung an: »Begeben Sie sich hinter die Losbude neben der Geisterbahn.«
    Ich verzichtete auf die einmalige Chance, einen überdimensionierten Plüschteddybären zu gewinnen, und quetschte mich zwischen Geisterbahn und Lotteriewagen hindurch. Am Karussell inmitten der Menschenmenge hatte ich mich deutlich wohler gefühlt, aber wie lautete das deutsche Sprichwort so schön: No risk, no fun!
    Die Knarre in meiner Jeansjacke fest umklammert, erlebte ich eine Überraschung. »Hallo, Tobias, auch vergnügungssüchtig?«
    »Vielen Dank, Dieter, dass du gekommen bist.«
    Bisher kannte ich die Anonymen Alkoholiker oder die Anonymen Bulimiekranken, aber ein Anonymer Höflicher war mir noch nicht untergekommen.
    »Trifft sich gut, dass wir uns begegnen, dann kann ich dir die Goldkette zurückgeben, die du verloren hast.«
    »Wo hast du die her?« Tobias Hardt, der Gärtner, starrte wie hypnotisiert auf das pendelnde Kleinod.
    »Die hast du liegen gelassen, als du Grabowski und mir eine verpasst hast.« Ich blickte grimmiger als das bestialischste Monster in dem Schuppen nebenan.
    Die Kette hatte ich bei der Schlafzimmerdurchsuchung gefunden, und aufgrund meiner guten Beobachtungsgabe hatte ich sofort gewusst, wem sie gehörte. Allerdings war ich da noch davon ausgegangen, den Mörder überführt zu haben, doch als mir der Knabe jetzt vis-à-vis gegenüberstand, war ich mir nicht mehr sicher.
    »Tut mir leid, aber ich bin total in Panik gewesen«, sagte er bedauernd. »Ist dir jemand gefolgt?«
    »Nur der Geruch von Backfisch und gebrannten Mandeln. Jetzt lass mal hören: Was hattest du in meinem Zimmer zu suchen, und warum stehen wir hier?«
    »Okay, wo fange ich am besten an?« Er kratzte sich am Kopf.
    »Am Anfang.«
    »Es ist kein Zufall, dass ich auf dem Hagenhof angeheuert habe.« Er pflanzte sich auf eine der Paletten, die hier zuhauf herumstanden.
    »Aha.« Ich setzte mich neben ihn. »Das bedeutet, Günter und du kanntet euch.« Ich ließ meine detektivische Brillanz aufflackern.
    »Nein.« Es war nichts mit der Brillanz. »Nicht Günter, sondern Erika.«
    »Rexforths erste Frau?«
    »Exakt. Ich habe Erika vor einer halben Ewigkeit in einem Café in Münster kennengelernt. >Café Brentano<, direkt am Aasee. Damals war ich bei einer Bank angestellt, und im >Brentano< habe ich immer meine Mittagspause verbracht. Leider hat der Laden irgendwann einer Pizzeria weichen müssen, sehr schade, denn dort gab es Thunfischbaguettes, die nicht von dieser Welt waren.«
    Tobias zog ein Päckchen Pall Mall aus der Jacke und steckte sich eine an. Dann erinnerte er sich an seine gute Kinderstube und hielt mir die

Weitere Kostenlose Bücher