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Den letzten beißt das Schwein

Den letzten beißt das Schwein

Titel: Den letzten beißt das Schwein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Springenberg/Michael Bresser
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Seebold.
    »Nein, sagen Sie nicht, dass wir an eine andere Gemeinde angeschlossen werden«, regte sich ein Trupp älterer Damen auf.
    Wilpert hob wieder die Hand. »Liebe Schwestern und Brüder, lasst mich doch ausreden. In unserer dünn besiedelten Region gibt es keinen Bruder, der unsere Gemeinde übernehmen kann. Dafür konnten wir Reverend Jones aus Philadelphia gewinnen, euch in Zukunft geistlich zu betreuen. Zuletzt stand er einer freien Gemeinde in Schwerin vor. Sein Chor hat heute diesen Gottesdienst begleitet. Bitte nehmt ihn genauso herzlich auf wie mich damals.«
    Jetzt war der Mob nicht mehr zu halten.
    »Wieso werden wir nicht vorher gefragt?«, brüllte ein Mann, der eine große Ähnlichkeit mit Heino hatte.
    »Genau. Was sollen wir hier mit einem Schwarzen aus der Zone?«, verschärfte ein drahtiger Kerl im Lodenmantel den Ton. So viel zu »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst«, schoss mir durch den Kopf.
    In dem folgenden Getuschel vernahm ich plötzlich Karins liebliche Stimme: »Gebt dem Mann eine Chance, ihr kennt ihn doch nicht.«
    Dies war das Stichwort für Reverend Jones: »Liebe Schwestern und Brüder. Ich freue mich sehr, dass ich die verantwortungsvolle Aufgabe übertragen bekommen habe, in eurer Gemeinde als Seelsorger tätig zu werden. Ich bin absolut überzeugt, dass wir zueinanderfmden werden.«
    Jones war ein charismatischer Typ. Als er die Stimme erhoben hatte, waren die feindseligen Zwischenrufe schlagartig verstummt. Er erinnerte mich an Martin Luther King, und das in Buldern.
    »Wir geben Ihnen eine Chance«, bellte Bauer Steinmann aus der letzten Reihe. Damit hatte der Neue gewonnen. Der nächste Gospel wurde vollmundig von der Gemeinde geschmettert, da störte die falsche Aussprache wenig.
    Zu guter Letzt bedankte sich Wilpert bei seinen Weggefährten, auch ein gewisser Dieter R. Nannen wurde lobend erwähnt. Auf sein Nicken hin griff ich in die Tasten und ließ eine Version von »Stairway to Heaven« vom Stapel, dass Mambo Kurt vor Scham im Boden versunken wäre, wenn er denn anwesend gewesen wäre. Obwohl, auszuschließen war es nicht bei der illustren Schar an Gottesdienstbesuchern, wie ich anschließend auf dem Kirchhof feststellen durfte. Nicht nur, dass wieder deutlich mehr Jugendliche am Start waren als in früheren Jahren, nein, neben der rechten Flügeltür hatte sich sogar ein Dutzend in Leder gewandete Biker versammelt.
    Während ich auf dem Weg zum Capri die Autokennzeichen studierte, sah ich Karin in Richtung Parkplatz verschwinden. Nichts wie hinterher.
    »Hallo, Frau Nannen.« Kurz vor ihrem Toyota hatte ich sie eingeholt.
    Nachdem wir engen Körperkontakt hergestellt und uns dann wieder gelöst hatten, gab es eine Premiere. »Hast toll gespielt, Respekt!« Das erste Mal in meiner kompletten Organistenkarriere, dass sich meine Angetraute positiv über meine musikalischen Fähigkeiten äußerte. »Ist schon eine Überraschung, dass Wilpert in Rente geht. Und dann noch ein Farbiger als Nachfolger? Gewagt, gewagt.«
    »Wieso? Sind die Münsterländer nicht seit jeher schwarz?« Diesen Kalauer konnte ich mir nicht verkneifen. »Naja, ein bisschen frischer Wind in der Gemeinde kann weiß Gott nicht schaden. Sorry, dass ich dich einfach so zu meiner Mutter abgeschoben habe, aber es geht nicht anders. Ich glaube, dass ich den Fall bald geknackt habe. Leider muss ich noch mal zum Hagenhof und dort auch übernachten. Macht es dir was aus, erneut in der Nannen-Villa unterzuschlüpfen?«
    Ich war schon auf einen entrüsteten Anschiss gefasst, aber weit gefehlt.
    »Kein Problem. Deine Mutter und die Ami-Tante sind herzensgute Menschen, ich weiß gar nicht, was du gegen sie hast. Sie haben mir jeden Wunsch von den Lippen abgelesen.«
    Steckte bestimmt ein perfider Plan dahinter, aber das wollte ich Karin nicht unter die Nase reiben. War allemal besser, als wenn sie allein auf ihrem Hof blieb, auch wenn ich mittlerweile nicht mehr von einer Gefährdung ausging.
    »Freut mich zu hören. Und danke, dass du die Tiere gefüttert hast.« Ich drückte ihr einen Schmätzer auf die Wange.
    »Bedank dich nicht nur bei mir, sondern auch bei Isolde und Hildegard. Sie haben nämlich kräftig mitgeholfen.«
    »Du hast die beiden in den Stall gekriegt? Ich glaub es nicht.« Meine piekfeine Mom im Schweinekoben, unvorstellbar.
    »Hildegard hat jedes Kaninchen auf den Arm genommen. Würde mich nicht wundern, wenn sie ein paar von denen heute mit ins Bett schleppt«, lachte meine Verlobte.

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