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Den letzten beißt das Schwein

Den letzten beißt das Schwein

Titel: Den letzten beißt das Schwein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Springenberg/Michael Bresser
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Teil des Erbes erhält, wenn ich in den nächsten Monaten kein anständiges Leben führe? Also, wieso sollte sich eine Frau, die sich sonst nur mit hochrangigen Geschäftsleuten und Großindustriellen abgibt, ausgerechnet in einen Dülmener Dorfpolizisten verlieben?«
    »Es ist richtig, mein lieber Dieter, dass ich in meinem Leben viele Fehler gemacht habe.« Mamas Miene war vor Kälte erstarrt. »Aber ich habe mich geändert. Und du besitzt kein Recht, mir die Sünden meiner Vergangenheit vorzuhalten. Die Liebe fällt hin, wo sie hinfällt. Unter den High-Society-Männern findest du nie die Gefühlswärme, die Männer der gehobenen Mittelschicht bieten können. Ludger ist der Mann, den ich mir immer erträumt habe.« Diese Lobhudelei in Verbindung mit dem über Jahrzehnte antrainierten Augenaufschlag ließen Reichert sofort beseelter strahlen als ein Honigkuchenpferd.
    »Und du, Tantchen, solltest kein Wasser in Wohnungen verspritzen, in denen du zu Gast bist.«
    Tante Hilde grinste nur hämisch, aber das störte mich nicht. Jetzt hatte jeder sein Fett weg und ich die Gefahr eines Magengeschwürs abgewendet. Auch wenn ich nicht erwartete, dass meine Worte Wirkung zeigen würden.
    Auf zu meinen wahren Freunden. Die Futternäpfe waren überraschenderweise gut gefüllt, und im Kaninchengehege lag genug Löwenzahn für die nächsten zweiundfünfzig Wochen. Karin war schon eine Wucht, denn ich konnte mir kaum vorstellen, dass einer der glorreichen Tortenvernichter mein Vieh gefüttert hatte.
    Ich füllte die Tröge bis zum Rand mit Trockenfutter und versprach Pedder und den Langohren, mich wieder häufiger blicken zu lassen. Immerhin waren die Karnickel vollzählig, wie ein schnelles Durchzählen ergab. Alle acht waren wohlauf und munter. Der Killer machte anscheinend einen großen Bogen um den Nannenhof, aus Angst vor meiner Mutter und der Ami-Tante. Das ließ ihn fast sympathisch werden, aber nur fast.
    Zurück in meiner Kemenate erfuhr ich, dass Reichert sich verdrückt hatte. Wurde vielleicht sogar noch schlau auf seine alten Tage. Während Isolde den Tisch abräumte, stopfte Hilde sich das letzte Tortenstück in den Schlund. Trotz des entzündeten Kaminfeuers herrschte eisige Kälte.
    Ich hüpfte unter die Dusche, kleidete mich an und packte ein paar Klamotten in eine Reisetasche. Ich hatte zwar keinen blassen Schimmer, wo ich heute nächtigen würde, aber garantiert nicht zu Hause.
    Grußlos ließ ich die beiden Vetteln zurück und bestieg meine Benzinschleuder. Auf zum Gebet.

    Der Kirchhof war menschenleer, kein Wunder, war es doch noch eine Stunde bis zum Großereignis. Anders als sonst üblich weilte Wilpert aber bereits in der Sakristei.
    »Meine herzlichsten Glückwünsche zu Ihrem Jubiläum.« Ich schüttelte dem Nachfolger Petri die Hand. »Muss ein großer Tag für Sie sein.«
    »Vielen Dank, Herr Nannen. Schön, dass Sie an diesem Ehrentag das Orgelspielen übernommen haben. Glauben Sie mir, es bedeutet mir sehr viel.«
    Wie man erkennen konnte, pflegten wir ein gutes Verhältnis. Dies war nicht immer so: In den Anfangsjahren mochten wir uns wie Regenwurm und Angelhaken. Keine Begegnung ohne Reibereien. Die Zwangsverpflichtung bewirkte bei mir eine Art Abwehrhaltung, und Wilpert konnte mit einem jungen Organisten, der keine zwanzig Ave-Marias am Tage betete, nichts anfangen.
    Dies besserte sich deutlich, als ich bei der Hochzeit seiner Schwester in Billerbeck spontan als Ersatz einsprang. Der etatmäßige Fingerakrobat hatte sich bei der Spaghetti-Zubereitung die Griffel verbrüht.
    »Was ist denn nun die große Überraschung?«
    »Warten Sie ab.« Wilpert lächelte geheimnisvoll und drückte mir einen Liederzettel in die Hand. Ich traute meinen Augen nicht: Normalerweise wurde in jedem Gottesdienst »Großer Gott, wir loben dich« und »Allein Gott in der Höh’« geträllert. Noppes. Stattdessen standen Titel wie »Come, holy spirit«, »Lost in prayer« oder »My life is in your hands« auf der musikalischen Speisekarte. Ich blickte ihn fragend an.
    »Meine Wahl mag ein wenig merkwürdig erscheinen, doch sie hat ihren guten Grund. Wir erwarten einen hochrangigen Gast.« Er mimte immer noch den Geheimniskrämer. Nun gut, es war seine Show heute. »Sie erinnern sich bestimmt, dass ich in der Vergangenheit häufig Ihre Orgelvorspiele kritisiert habe?«
    Ich nickte demütig, hatte ich doch stets Stücke von Deep Purple und Led Zeppelin in die Liturgie gemogelt, weniger zur geistlichen Erbauung als zur

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