Den Löwen Zum Frass
erhitzten Publikum umgeben sein sollte, würde dieses herzzerreißende Theater einen trostlosen Anblick darstellen, in dem sie über alles nachsinnen konnte, was sie weggeworfen hatte.
Sobald sie etwas ruhiger schien, kletterte ich zu ihr hinunter. Ich machte genug Lärm, um sie vor meiner Ankunft zu warnen, und setzte mich dann neben sie auf die steilen Steinblöcke. Ich spürte, wie die eingefangene Hitze durch den Stoff meiner Tunika drang; der Rand der Steinstufe kratzte an meinen Oberschenkeln. Claudia schien sich die Nase geputzt und die Augen gewischt zu haben, obwohl ihr Gesicht immer noch feucht war. Sie starrte über die Bühne unter uns hinaus auf die kleine Bucht, wo die Brecher hart auf den hellen Sand krachten. Sie stammte aus Corduba, wo es einen ziemlich morastigen Fluss gibt, das aber weit im Inland liegt. Vielleicht empfand sie den Ruf des Meeres hier als aufwühlend exotisch.
»Der Krach der Wellen muss eine ziemliche Herausforderung für die Schauspieler gewesen sein.« Ich wählte absichtlich ein neutrales Thema. Wenn doch nur Helena hier gewesen wäre! Ich gab mich ungezwungen, verschränkte die Arme und streckte ein Bein aus. Dann seufzte ich nachdenklich. Claudia blieb ausdruckslos. Junge Frauen in ihrem Leid zu trösten kann harte Arbeit sein. Auch ich starrte hinaus zum Horizont. »Kopf hoch. Es kann nur besser werden. Wie schlimm es für dich im Moment auch aussehen mag, du hast dein Leben nicht zerstört. Niemand wird dir vorschlagen, zu Aelianus zurückzukehren - aber du kannst es durchstehen und jemand anderen heiraten, in Rom oder in Baeti- ca. Was meinen deine Großeltern dazu?« Bevor ich Rom verließ, hatte man mir gesagt, dass sie ihr vergeben hätten. (Was den sehr praktischen Vorteil hatte, dass sie jetzt wieder an Geld herankam.) Sie war alles, was die Großeltern besaßen - immer eine gute Position auf dem Spielbrett des Lebens. »Du bist eine Erbin, Claudia. Du kannst es dir leisten, mehr Fehler zu machen als die meisten Menschen. Es gibt sicher einen Mann, der deinen Unternehmungsgeist bewundert.« Oder zumindest dein beträchtliches Vermögen.
Claudia reagierte immer noch nicht. In meinen jüngeren Jahren wäre sie eine Herausforderung gewesen, aber jetzt hatte ich lieber Frauen mit Charakter. Es machte mehr Spaß, wenn sie Widerworte gaben.
»Weißt du, du solltest wirklich mit Quintus reden. Helena und ich haben uns mal furchtbar gestritten. Sie meinte, was ich ihr angetan hätte, sei für alle deutlich zu erkennen. Ich dachte, sie hätte aufgegeben und mich fallen lassen ... Ich meine, wenn es Quintus ist, den du willst, Claudia, lässt sich das sicher wieder ins Lot bringen.«
Endlich drehte sie sich zu mir und sah mich an.
Tapfer fuhr ich fort: »Er weiß es nicht. Er versteht wirklich nicht, wie schrecklich die Reise für dich war. Er glaubt, es reicht aus, dass ihr zusammen ein aufregendes Erlebnis hattet und es überlebt habt .«
»Er weiß, was ich empfinde«, unterbrach mich Claudia, als wollte sie ihn verteidigen. Doch sie sagte es ganz trocken. »Wir haben lange darüber geredet.« Ihre Beherrschtheit verriet mir, wie wütend die Auseinandersetzung gewesen sein musste.
»Das Problem mit Quintus ist«, warf ich vorsichtig ein, »dass er vielleicht noch nicht genau weiß, was er mit seinem Leben anfangen will.«
»Er konnte mir durchaus sagen, was er will!«, schnaubte Claudia. Ihre grauen Augen blitzten zornig, während sie verärgert verkündete: »Seine Geschichte geht so: Als er mit dir in den Wäldern von Germania Libra war, Marcus Didius, hat er eine wunderschöne und mysteriöse Rebellenprophetin kennen gelernt, die er zurücklassen musste, aber die ihn sein ganzes Leben lang verfolgen wird.«
Ich hatte mir die größte Mühe gegeben, diese Geschichte um seinetwillen zu verheimlichen, sobald wir nach Rom zurückgekehrt waren. Typisch für den dämlichen Justinus, sie dem einzigen Menschen zu gestehen, der sie nie hätte erfahren dürfen.
Claudia stand auf. Jetzt klang sie noch wütender, als ich erwartet hatte. »Das ist natürlich alles Blödsinn. Mit wem hatte er wirklich eine Affäre? Hoffentlich nicht mit irgendeinem Tavernenflittchen, da kann er sich eine Krankheit zugezogen haben. War es die Frau eines Tribuns?«
In Rom dachte alle Welt, Justinus hätte nach seiner Heimkehr eine Romanze mit einer Schauspielerin gehabt. Davon hatte Claudia offenbar nichts gehört. Ich räusperte mich nervös. Es war wohl das Beste, so zu tun, als hätte ihr
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