Den Löwen Zum Frass
Hirten das Silphion sogar mit den Wurzeln ausgerissen haben, um es loszuwerden.«
»Also werden sie definitiv nicht erfreut sein, uns zu sehen«, stimmte ich zu.
»Zweitens: Das Land, auf dem das Zeug wächst, ist der erbliche Besitz der Stämme, die schon immer hier gelebt haben. Denen wird es sicher nicht gefallen, dass Fremde auftauchen und Interesse daran zeigen. Wenn die Pflanze wieder ausgebeutet werden soll, kann es gut sein, dass sie selbst die Kontrolle übernehmen wollen.«
Ich brachte mein Pferd dazu, einem kleinen Busch auszuweichen, der das Tier mit törichtem Entsetzen erfüllte. »Du glaubst demnach, dass die Suche nach Silphion gefährlich sein könnte?«
»Nur, wenn die mitbekommen, dass wir danach suchen, Marcus Didius.«
»Du bist wirklich gut darin, mich zu beruhigen.«
»Angenommen, wir haben das Silphion tatsächlich wieder gefunden. Dann könnten die Leute begreifen, welche Reichtümer sich damit gewinnen lassen. Die gesamte Wirtschaft von Kyrene war einst davon abhängig. Wir werden eine Übereinkunft mit den Landbesitzern treffen müssen.«
»Oder ein paar Ableger klauen und es auf unserem eigenen Land anbauen.« Ich dachte an Großonkel Sacro. Natürlich waren laut Mama seine experimentellen Schnipsel alle umgekippt und verdorrt. Und natürlich war, wieder laut Mama, ich derjenige, der von allen Familienmitgliedern am meisten nach meinem hoffnungslosen Großonkel kam.
»Könnten wir das Silphion in Italien anbauen?«, fragte Justinus.
»Das ist schon versucht worden. Viele Menschen haben das über die Jahrhunderte ausprobiert - wenn sie es in die Finger bekommen konnten, was die gewitzten Kyrener zu verhindern trachteten. Ein Verwandter von mir hat es mit Ablegern probiert, leider ohne Erfolg. Mit Samen könnte es besser funktionieren, aber wir müssten herausfinden, ob man sie aussät, wenn sie reif sind oder noch im grünen Zustand. Mach dich darauf gefasst, dass der einzige Grund, warum Silphion so selten war, darin lag, dass es nur unter den hier gegebenen Bedingungen wachsen kann. Die Aussicht, es zu verpflanzen oder anderswo anzubauen, ist trübe.«
»Mir würde es nichts ausmachen, hier Land zu erwerben.«
Justinus klang nicht nur wie ein Pionier, er hatte die grimmige Miene eines jungen Mannes, der allem, was er bisher kannte, resolut den Rücken zukehrte.
»Das Problem damit ist, Quintus, dass selbst die Einheimischen nicht genug fruchtbares Land für sich haben.«
Ich hatte mich schlau gemacht. Schon seit Tiberi- us' Zeiten beschränkten sich römische Bemühungen zur Verwaltung dieser Provinz darauf, erfahrene und besonnene Landvermesser zu schicken, die Streitfälle über Landbesitz schlichten sollten.
Justinus sah mich trotzig an. »Warum sagst du nicht, dass ich sowieso nach Rom gehöre?«
»Du musst selbst entscheiden, wohin du gehörst.«
Wir peitschten unsere Pferde um ein paar hundert weitere Büsche, jeder davon ein neuer Schrecken für das zartbesaitete Tier, das ich gemietet hatte. Das einzig Gute an ihm war, dass es sich leichter beruhigen ließ als meine erregte Reisegruppe.
Falls dieses Pferd ein schwieriges Liebesleben hatte, verbarg es das bestens. Doch wenn ich versuchte, es anzutreiben, ignorierte es das genauso dickköpfig wie alle anderen. Ehrlich gesagt, war dies eine Reise, die mein Mitgefühl schwer auf die Probe stellte.
Als wir uns dem Ort näherten, an dem die Pflanze wuchs, bekamen wir unerwartet Gesellschaft. Wir trabten vor uns hin, versuchten mit der Landschaft zu verschmelzen, damit wir keine Ausrede für unsere Anwesenheit erfinden mussten.
Plötzlich störten Schreie den Frieden. Wir taten so, als ginge uns das nicht an, was zu schrillem Pfeifen, rauem Gebrüll und schließlich dem Donnern von Pferdehufen führte.
»Renn nicht weg.«
»Wohin denn?«
»Was sollen wir sagen?«
»Das überlasse ich dir, Marcus Didius.«
»Oh, vielen Dank.«
Eine Gruppe von fünf oder sechs berittenen Einheimischen umringte uns, brabbelte laut und fuchtelte mit den Armen. Sie hatten lange Speere, die wir misstrauisch beäugten. Offenbar hatten sie es auf uns abgesehen. Wir hielten unsere Pferde an und gaben uns hilfsbereit, da uns nichts anderes übrig blieb.
Die Verständigung war minimal. Wir versuchten es mit Griechisch, dann Latein. Justinus setzte ein freundliches Lächeln auf und radebrechte auf Keltisch; er hatte genug Brocken davon aufgeschnappt, um heiße Pflaumenpasteten zu bestellen, Frauen zu verführen und Kriege zum Stillstand zu
Weitere Kostenlose Bücher