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Den Löwen Zum Frass

Den Löwen Zum Frass

Titel: Den Löwen Zum Frass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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gutem Hause. Die Grundausbildung für eine Erbin bestand nur darin, sich durch griechische Romane zu kämpfen und einen grausigen Konversationskursus zu absolvieren. Immer noch voller Begeisterung, fuhr Justi- nus fort: »Fünfhundert Meilen durch eine vollkommen öde, scheinbar endlose Wüste - alles brettflach, wochenlang.«
    »Übernachtungsmöglichkeiten?«, fragte ich in neutralem Ton.
    »Selten. Wir mussten immer Wasser für mehrere Tage mitführen. Manchmal gab es Zisternen oder Brunnen, aber dessen konnte man sich vorher nicht sicher sein. Wir haben oft im Freien kampiert. Die kleinen Ansiedlungen liegen weit voneinander entfernt.«
    »Banditen?«
    »Wir waren uns nicht sicher. Sie haben uns nie angegriffen.«
    »Was für eine Erleichterung.«
    »Ja. Wir mussten uns einfach durchschlagen und auf das Schlimmste gefasst sein. Nichts als ein fernes Glitzern des blauen Meeres zu unserer Linken und der Horizont zu unserer Rechten. Nackter, trockener Sand, ab und zu ein wenig Gestrüpp. Hinter Mar- comades wurde das Land etwas hügeliger, aber die Wüste zog sich immer noch endlos fort. Manchmal führte der Pfad mehr ins Landesinnere, doch ich wusste, dass wir, solange wir zur Linken noch das Meer glitzern sahen, in die richtige Richtung gingen ... Einmal sahen wir einen Salzsumpf.«
    »Wie aufregend«, bemerkte Helena eisig. Claudia, die nicht einmal den Schatten eines Lächelns zeigte, verspeiste eine weitere Traube. Der Salzsumpf musste eine scheußliche Erinnerung sein, aber sie verdrängte die schmerzlichen Gedanken. »Ich versuche mir vorzustellen«, sagte Helena zu ihrem Bruder, »was für eine Katastrophe das für Claudia gewesen sein muss. Auf eine romantische Schiffsreise und strahlendes Glück eingestellt zu sein, und dann das. Plötzlich mitten in einer endlosen Wüste zu sitzen und um ihr Leben fürchten zu müssen. Tausend Meilen vom nächsten Friseur entfernt und mit den vollkommen falschen Schuhen!«
    Ein kurzes Schweigen entstand. Helena und ich waren total erschlagen von dem, was uns der verrückte Bursche da enthüllt hatte. Vielleicht spürte Justinus endlich die kritikgeladene Atmosphäre. Er wischte seinen Teller mit einem Stück Brot ab.
    »Wie lange habt ihr gebraucht?«, erlaubte ich mir zu fragen, immer noch in neutralem Ton.
    Er räusperte sich. »Über zwei Monate.«
    »Und Claudia Rufina hat das alles mit dir zusammen ertragen, Quintus?«
    »Claudia war sehr tapfer.«
    Claudia sagte nichts.
    Justinus ließ sich wieder fortreißen: »Wenn man weiter nach Osten kommt, tauchen die ersten Dattelpalmen auf. Schließlich stößt man auf Viehherden
    - Ziegen, Schafe, gelegentlich Rinder, Pferde oder Kamele, und näher an Berenike wird es noch hügeliger. Ich werde das Erlebnis nie vergessen. Das
    Meer und der Himmel, wie die Wüste die Farbe verändert, zu einem schrofferen Grau, wenn die Abenddämmerung kommt .«
    Sehr poetisch. Claudia wirkte immer noch auf beunruhigende Weise unbewegt. Ihr Schweigen deutete auf schreckliche Qualen. Ich konnte mir vorstellen, wie viel Justinus von Unbequemlichkeit, Durst, Hitze, drohenden Überfällen, der Furcht vor dem Unbekannten verschwieg. Ganz abgesehen davon, dass ihre Beziehung in rapider Geschwindigkeit zerbrach.
    »Wir haben es geschafft, und das ist die Hauptsache.« Für ihn traf das eindeutig zu. Für Claudia würde es ewig wie ein Schatten über ihrem Leben hängen. »Wie gesagt, wir konnten uns kein Schiff leisten. Hätte ich uns nicht so rücksichtslos vorangetrieben, wären wir immer noch irgendwo da draußen - und vermutlich tot.«
    Claudia Rufina stand plötzlich auf und verließ das Zimmer und gleich darauf das Haus. Wir hörten die Tür zuknallen. Oben krachte ein Fensterladen so hart gegen die Mauer, dass der Haken abfiel. Justi- nus zuckte zusammen, blieb aber sitzen.
    Wahrscheinlich hatte er sich schon zur Genüge anhören müssen, was sie empfand. Nicht bereit, eine junge Frau aus meiner Reisegesellschaft allein durch eine fremde Stadt wandern zu lassen, wuchtete ich mich hoch und folgte dem Mädchen.
    Als ich ging, begann Helena Justina ihrem einstigen Lieblingsbruder zu erklären, dass die meisten
    Menschen ihm total grausame Dämlichkeit vorwerfen würden, ganz zu schweigen von unaussprechlichem Egoismus.
    Die Stadt Apollonia liegt am Ende eines flachen Plateaus, das sich ins Meer hinaus erstreckt, unterhalb eines Hochlandes, von dem aus das kultiviertere Kyrene die ganze Gegend beherrscht. Die Hafenstadt unten auf der

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