Den Löwen Zum Frass
war der Vater ihrer Kinder und schon viel zu weit gesunken, um verlassen zu werden.
Mein Neffe Gaius war auf eigene Faust losgezogen. Er war schon immer ein unabhängiger Geist gewesen, und obwohl es ihm gut tat, Teil einer Gruppe zu sein, wurde er bitterböse, wenn man ihn zu stark beaufsichtigte. Helena glaubte ihn bemuttern zu müssen. Gaius war ein Bursche, der sich dagegen entschieden hatte. Ich zog es vor, ihm die Zügel schleifen zu lassen. Wir hatten uns in Apollonia eingerichtet; er kannte sich inzwischen hier aus und würde heimkommen, wenn er bereit dazu war. Er hatte Julia bei uns gelassen. Die Kleine spielte vergnügt mit einem Schemel, den sie herumzuschubsen gelernt hatte, und ließ ihn in die anderen Möbelstücke krachen.
Da wir nun endlich mal allein waren, schien es eine gute Gelegenheit, über das Silphion zu sprechen. Die Aussicht auf ein Vermögen war gewaltig, falls es Justinus tatsächlich gelungen war, die Pflanze wieder zu entdecken, und wir brachten das Thema indirekt zur Sprache, eine vorsichtige Anerkennung der enormen Träume, die sich möglicherweise für uns alle erfüllen würden. Wie es in Familien üblich ist, führte der indirekte Weg nur zu einem Streit über etwas ganz anderes.
Helena und ich, Claudia und Justinus hatten ein einfaches Mittagessen zu uns genommen. Irgendwie kam das Gespräch auf unsere Ankunft in Berenike, und obwohl Helena und ich es sorgsam vermieden, auf Claudias enttäuschte Sehnsucht nach einem Besuch der Gärten der Hesperiden einzugehen, wurde im Verlauf unserer Erzählung über unsere Schiffsreise die Frage gestellt, wie das andere Paar die Überfahrt von Oea überstanden habe. An diesem Punkt machte Justinus eine erstaunliche Bemerkung: »Oh, wir sind nicht mit dem Schiff gefahren. Wir kamen über Land.«
Es dauerte einen Moment, bis wir das verdaut hatten. Seine Schwester musste bereits einen Verdacht gehabt haben. Während ich mir die Kichererbsen mit einer Serviette vom Kinn wischte, fragte Helena scharf: »Doch nicht den ganzen Weg?«
»Aber ja.« Er tat so, als wäre er erstaunt über diese Frage.
Ich warf seiner Reisegefährtin einen Blick zu. Claudia Rufina zupfte sich einzelne Trauben ab, kaute jede sehr sorgfältig, entfernte die Kerne in bester Manier aus ihren Schneidezähnen und legte sie in gleichmäßigem Abstand am Tellerrand ab. Als würde sie Liebhaber wahrsagen - nur dass ihr Liebhaber angeblich der junge Mann war, der hier am Tisch saß.
»Erzähl uns davon«, schlug ich vor.
Justinus besaß den Anstand zu grinsen. »Zum einen war uns das Geld ausgegangen, Marcus Didi- us.« Ich zuckte mit den Schultern über den leichten Rüffel, dass meine finanzielle Hilfe hätte großzügiger ausfallen können. Wie ein echter Patrizier hatte er keine Ahnung, wie knapp ich wirklich bei Kasse war.
»Es war meine Idee. Ich wollte es Cato gleichtun.«
»Cato?«, hakte Helena in frostigem Ton nach. Ich überlegte, ob das jener Cato war, der immer rechtzeitig aus dem Senat nach Hause kam, um zuzusehen, wie das Baby gebadet wurde. Oder vielleicht war es das Baby, als es erwachsen war. Wie auch immer, meine Liebste hatte aufgehört, ihn als Vorbild zu betrachten.
»Du weißt doch, in den Kriegen zwischen Cäsar und Pompeius führte er seine Armee um die Große Syrte herum und überraschte den Feind.« Justinus gab mit seiner Bildung an; ich weigerte mich, beeindruckt zu sein. Bildung zählt nicht so viel wie gesunder Menschenverstand.
»Erstaunlich«, sagte ich. »Die müssen ja völlig platt gewesen sein, als er auftauchte. Der Weg führt die ganze Zeit durch die Wüste, so viel ich weiß. Und wenn ich recht informiert bin, gibt es auch keine Küstenstraße, oder?«
»Leider nicht!«, bestätigte Justinus fröhlich. »Cato brauchte dreißig Tage zu Fuß. Wir hatten zwei Esel, aber wir brauchten länger. Das war schon eine aufregende Reise.«
»Kann ich mir vorstellen.«
»Es gibt da einen Küstenpfad, den die Einheimischen benutzen. Und wir wussten, dass er ganz um die Bucht herumführen musste, weil Cato den Marsch erfolgreich überstanden hat. Ich dachte, es könnte für uns ein tolles Abenteuer sein, dasselbe zu tun. Na ja, natürlich in entgegengesetzter Richtung.«
»Natürlich.«
»Das war sicher nicht leicht?«, meinte Helena gefährlich ruhig.
»Nein«, gestand ihr jüngerer Bruder. »Für so was braucht man großes Engagement und militärische Methoden.« Tja, er verfügte darüber. Claudia aber war eine verwöhnte junge Dame aus
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