Den schnapp ich mir Roman
sich aber gegen ihn entschieden hatte, oder ob sie tot war. Immerhin würde das bedeuten, dass sie ihn noch liebte.
Jetzt schreckte Tristan mit einem Ruck aus seinen Erinnerungen auf. Sophie war nicht tot. Sie stand neben ihm, höchst lebendig und genau so engelsgleich schön, wie sie immer gewesen war. Sie war älter und hatte jetzt kurze Haare. Ihre Kleider wirkten elegant und teuer, aber ihre Haut hatte immer noch den zarten Samtglanz, und ihre wunderbaren mokkabraunen Augen waren genauso betörend wie immer. Er fing einen Hauch ihres Oscar-de-la-Renta -Parfüms auf, das sie immer schon bevorzugt hatte: ein weicher, würziger Duft, der neue Erinnerungen heraufbeschwor. Es war wie ein Rausch, und noch ehe er sich daran hindern konnte, atmete er ihn tief und wie süchtig ein. Was machte sie bloß hier, warum schien sie zu denken, dass er ihr Unrecht angetan hatte?
Vielleicht hatte Sophie das Porträt gesehen, das Tristan vor Jahren schon von Anna gemalt hatte, aber sie waren sich nie begegnet. Von dem Kuss konnte sie ja nichts wissen – wie auch? Sie war damals in London gewesen und hatte einen Teil des Kurses absolviert, ehe sie, ihren Mitschülerinnen zufolge, einfach verschwand.
Was konnte sie daher veranlasst haben, die Beziehung zu ihm einfach so, ohne ein einziges Abschiedswort aufzugeben? Das war die Millionen-Dollar-Frage für Tristan. Seit Sophies Fortgehen hatte er niemandem mehr getraut und sich von allem zurückgezogen. Er benutzte Frauen, wenn ihm danach zumute war, aber er ließ sich auf nichts mehr ein. Daran war allein Sophie schuld.
Jetzt wandte Tristan sich ihr zu, denn er wollte sie anschreien und fragen, was er bloß verbrochen hatte, dass sie ihn so zu hassen schien. Doch stattdessen versenkte er sich tief in ihre verlockenden Augen. Er vergaß alle schrecklichen Erinnerungen, den Schmerz, die Qualen, und konnte nur noch daran denken, wie sehr er sie geliebt hatte und wie wohl er sich in ihrer Nähe immer gefühlt hatte.
»Wir beide waren einzigartig«, sagte er leise und ohne nachzudenken. »Weißt du noch, wie wir einander immer wieder bestätigt haben, wie sehr wir zusammengehören?«
Sie nickte. Dabei fiel ihr das Haar über die Augen. Tristan lächelte sie scheu an. »Wir haben uns auf dem Boden im Studio zusammengekuschelt und uns die ganze Nacht geliebt. Und uns gegenseitig versichert, dass niemand uns etwas anhaben könnte. Dass nichts uns jemals trennen würde.«
Sophie hatte Mühe, nicht die Arme nach ihm auszustrecken. Sie dachte an nichts anderes, als ihn zu küssen. Sie wollte sich an ihn drängen, bis ihr die Lippen schmerzten, wollte seine Arme um sich spüren, seine Hände … Sie wünschte sich die unschuldigen Zeiten zurück, als der bloße Gedanke, dass er im nächsten Augenblick den Pinsel aus der Hand legen und sie mit Küssen bedecken würde, genauso erotisch gewesen war wie der Akt selbst und der Moment, wenn er sie auf die Leinwand bannte.
»Ich habe dich so geliebt«, stieß er mit brechender Stimme hervor. Er tastete nach ihren Fingern und vergaß völlig, wie sehr er sie hasste. Sein Herz tat einen Sprung, als ihre Hand seine umschloss und sie einander wie unauflöslich umklammerten. Es war wie früher.
»Ich habe dich aber mehr geliebt«, erwiderte sie mit bebender Stimme und wiederholte damit einen Scherz von damals. Sie spürte, wie sie mit ihm verschmolz. Schon seine Hand zu halten war für sie mehr, als sie ertragen konnte.
Als sein schwieliger Zeigefinger über ihre Handfläche rieb, brach ihr fast das Herz. Das Gefühl brachte sie fast um, aber sie fasste sich wieder. »Nein, ganz ernsthaft, Tristan, ich habe dich mehr geliebt.« Dann löste sie die Hand aus seiner. »Das muss einfach so gewesen sein.«
»Du machst Witze.« Seine Stimme klang tonlos und ungläubig.
Sie lachte, aber mit seinen angegriffenen Nerven fand er den Ton unangenehm. »Ich glaube nicht. Ich hätte dich gerade nicht berühren sollen. Ich möchte nicht, dass du dir irgendwelche Hoffnungen auf eine Versöhnung machst.«
»Ach wirklich!« Tristan sah sie mit zusammengekniffenen Augen an, weil er die Wut spürte, die knapp unter der Oberfläche brodelte. Wofür hielt sie sich eigentlich?
»Ich heirate bald«, sagte sie kühl. »Gil Anderson. Heiligabend.«
Tristan drehte sich alles vor den Augen. Seine Sophie … heiratete … das durfte nicht sein. Nicht, dass er wieder mit ihr zusammen sein wollte … sie hatte ihn einmal fast umgebracht, das reichte … aber heiraten ? Und
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