Den schnapp ich mir Roman
wegen des fatalen Kusses auf dem Sommerfest so ablehnte. Als sie daran dachte, kam ihr auch sofort Will in den Sinn. Und an Will wollte sie nicht denken. Sie stapfte nach draußen, die Arme eng um sich geschlungen, um sich warm zu halten. Beim Anblick der das Haupthaus umgebenden Bäume erschrak sie. Sie hatten fast alle Blätter verloren, daher ähnelten sie jetzt dürren Gestalten aus einem Horrorfilm. Nur das rote Weinlaub auf den honigfarbenen Steinmauern war noch geblieben.
Vor der Haustür stieß Tessa auf Henny, die inzwischen ihren Kurs für Hochzeitsmarketing absolviert hatte. Sie trug ein gelbes Twinset zu sehr schicken Gummistiefeln und wirkte überhaupt nicht mehr altbacken. Die hellblonden Haare hatte sie mit einer Spange zusammengesteckt. Sie trug sogar hellrosa Lippenstift.
» Wow, Henny, du siehst aber toll aus. Wohin geht es denn?«
»Ich … ich … habe … äh … einen … Termin«, stammelte Henny. Ihre Stimme erstarb. Sie mied Tessas Blick.
Sie war ja rot geworden, dachte Tessa amüsiert. Immerhin waren ihre guten Ratschläge vor dem Sommerfest auf fruchtbaren Boden gefallen. Mit ein wenig Make-up, ziemlich vielen Haarpflegemitteln und ein paar neuen Klamotten wirkte Henny ausgesprochen attraktiv! Vielleicht traf sie sich mit einem Mann? Tessa wünschte es ihr. Henny verdiente es wirklich, sich mal zu amüsieren.
»Liebling, deine Füße!« Henny deutete auf Tessas durchweichte Ugg-Stiefel »Warum borgst du dir nicht einfach Gummistiefel. In der Küche liegen jede Menge in allen Größen. Du holst dir sonst den Tod. Ich mache mir um den armen David Sorgen, der sicher in seinem winzigen Studentenzimmer friert und auch nicht richtig isst. Meinst du, dass er in Ordnung ist?«
Tessa dachte bei sich, dass David sich vermutlich ständig in der Studentenbar betrank oder mit seiner neuen Freundin im Bett lag. Aber als sie Hennys ängstliche Miene sah, legte sie ihr tröstend einen Arm um die Schultern.
»David geht es sicher sehr gut. Du hast ihm doch schon drei Esspakete geschickt, daher hat er vermutlich zugenommen. Außerdem hat er inzwischen jede Menge Freunde, die alle auf deine Schokoladenmuffins scharf sind.« Dankbar sah sie, wie Hennys Gesicht aufleuchtete. »Außerdem haben sie in den Wohnheimen heutzutage Zentralheizung. Vermutlich hat er es wärmer als ich in meinem Cottage.
Henny schlug sich mit der Hand vor den Mund. »Oh, du liebe Güte. Ich habe völlig vergessen, jemanden anzurufen, der sich darum kümmert.« Sie warf einen Blick auf ihre Uhr. »Ich bin sehr spät dran, sonst würde ich es jetzt tun. Aber wenn du Will Bescheid sagst, dann erledigt der das sofort.« Sie spannte den Schirm auf und rannte zu ihrem Auto. »Und vergiss die Gummistiefel nicht!«, rief sie noch über die Schulter hinweg zurück.
Tessas Schultern sackten hinab. Sie ging ins Haus. Die Heizung würde warten müssen, denn momentan würde sie lieber an Unterkühlung sterben als mit Will zu reden. Abgesehen davon, dass er sie seit Claudettes Ankunft ständig gemieden hatte, klammerte sich die Verlobte auch an ihn wie eine Klette. Sie war außerdem fürchterlich schön und völlig verliebt. Tessa hatte keine Ahnung, was in Will vorging, denn er war stets höflich, aber distanziert. Sie schienen einander um jeden Preis zu meiden, statt sich wie vorher ständig in den Haaren zu liegen.
»Da bist du ja! Wir dachten schon, jetzt hättet ihr beide uns im Stich gelassen!« Joe, der Kameramann, reichte ihr einen Becher Kaffee. Das Drehteam hockte um den großen Esstisch der Küche herum. Sie hatten dampfende Becher vor sich und einen Teller mit frischen Brownies von Henny. Alle starrten verdrießlich aus dem Fenster.
Tessa nahm dankbar den Kaffeebecher entgegen und fragte stirnrunzelnd: »Wie meint ihr das, dass wir beide euch im Stich gelassen haben?«
Joe verzog das Gesicht. »JB ist schon wieder nicht da.«
Tessa umklammerte den Becher fester. Seit dem Sommerfest schien JB regelmäßig zu verschwinden. Er verpasste Drehzeiten, erschien nicht zu den Besprechungen über die Schnitte. Sie konnte sich nur vorstellen, dass er seine eigenen Verabredungen mit Caro hatte, vermutlich in einem Hotelzimmer.
Was war denn aus JBs Motto geworden, dachte Tessa verärgert. Sie verbrannte sich die Zunge an dem heißen Kaffee. Was hatte er ihr vor Monaten noch gepredigt? »Bring die Frau dazu, dass sie dir vertraut, aber binde dich niemals.« Offensichtlich hatte er sein eigenes Mantra vergessen, denn er benahm sich nun
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