Den schnapp ich mir Roman
meinte Milly. Sie genoss das Gefühl von Freddies Arm um ihre Schultern, war aber völlig verwirrt von dem gerade Geschehenen.
»Seltsam? Eher ziemlich unhöflich. So ein arroganter Hund. Was macht er überhaupt noch hier? Das Drehteam ist doch abgereist, oder? Gleich nachdem Clemmie und Rufus sich getrennt haben.«
»Ja. Und genau das ist es. JBs Papiere …«
»Was war es?«
Millys Blick war verschleiert. »Auf dem letzten Blatt – es war alles in Französisch -, aber ich habe die Worte Erbschaft und Testament entziffern können.«
»Ja, und?« Freddie zuckte die Achseln. Er fand Milly einfach anbetungswürdig, wenn sie so gedankenverloren dastand und vor Konzentration die Nase kraus zog. »Vermutlich hat es mit seiner Familie in Frankreich zun tun, oder?«
»Genau das ist es.« Mit zitternden Fingern zog Milly ihr Handy hervor. »Es ging nicht um JBs Familie, Freddie. Es ging um meine Familie. Ich habe den Namen Forbes-Henry mindestens viermal gesehen. Und den Namen meiner Großmutter.« Sie hielt inne. »Wem sagen wir am besten darüber Bescheid …? Will vermutlich, aber der ist völlig von Claudette und dieser dämlichen Hochzeitsidee vereinnahmt – kann man es glauben, dass sie nach allem, was geschehen ist, in Clemmies Schuhe springt und sämtliche Hochzeitspläne von ihr übernimmt? Ich finde sie irgendwie überhaupt nicht mehr nett.« Milly dachte einen Moment lang nach und schlug sich dabei mehrfach mit dem behandschuhten Finger auf die Lippen. »Ich frage mich, ob Tessa eine Ahnung hat, worum es da geht. Sie kennt JB vermutlich besser als alle anderen. Gott sei Dank
ist sie immer noch hier … aber nur wegen Sophies blöder Hochzeit mit Gil. Jesus, warum ist im Moment alles so ungeheuer kompliziert?« Rasch tippte sie Tessas Nummer.
»Warum sollte JB denn irgendwelche Akten herumtragen, die mit deiner Familie zu tun haben, ganz zu schweigen von Erbgeschichten«, fragte Freddie verdutzt. »Ich dachte, er ist hier, um Regie bei dieser Klatschreportage zu führen.«
»Das dachten wir alle«, sagte Milly mit funkelnden Augen. »Aber vielleicht ist er aus einem völlig anderen Grund hier? Tessa? O mein Gott, ich habe eine interessante Geschichte für dich.«
Kapitel 24
Tessa blickte mit schwerem Herzen aus dem Fenster. Der Dezember hatte mit starken Schneefällen begonnen. Feine Flocken tanzten vom Himmel und setzten sich auf den Fensterbänken ihres Cottages und überall sonst ab. Die grünen Rasenflächen um das Schlösschen waren nun ein reinweißer Teppich – und noch völlig unberührt.
Alles wirkte wunderbar still. Der Schnee umhüllte das Häuschen wie ein weicher, sicherer Kokon. Die Landschaft glich einer Weihnachtstorte mit Zuckerguss. Aber Tessa war innerlich verzweifelt, weil sie mit ansehen musste, wie Will und Claudette ihre Hochzeitsvorbereitungen trafen. Sie machte sich Vorwürfe, dass sie sich überhaupt in Will verliebt hatte.
»Was mache ich hier eigentlich noch?«, fragte sie sich laut. Wenn sie doch nie zugestimmt hätte, Sophies Brautjungfer zu sein. Abgesehen davon, dass die Hochzeit mit Gil eine völlige Farce schien, wenn man an Tristans und Sophies eindeutige Gefühle füreinander dachte, bedeutete es auch, dass sie auf Appleton Manor festsaß. Doch Sophie brauchte sie, und Tessa wusste auch, dass sie selbst sich vor der Heimreise fürchtete, denn dann stand die Entscheidung über ihre Karriere an. Jilly sprach kaum noch mit ihr und hatte ihr nur knapp mitgeteilt, das Beste, was sie im neuen Jahr von ihr zu erwarten hätte, wäre eine Dokumentation über einen zweitrangigen Fussballer und dessen anspruchsvolle Frau, die eine Nebenrolle in einer Seifenoper hatte. Eine zickige Tussi mit übertriebenem
Selbstbewusstsein. Uninteressanter konnte es kaum sein.
Tessa hatte einige Charaktere für ihren Roman skizziert, aber ihr Herz war nicht bei der Sache. Sie betrachtete die romantische Landschaft draußen. Da fiel ihr ein, dass sie versprochen hatte, Henny und Clemmie bei den Weihnachtsvorbereitungen zu helfen. Sicher hatten sie sie nur gebeten, um ihr einen Gefallen zu tun, aber sie war trotzdem dankbar. Clemmie versuchte nach ihrem Trauma, wieder Boden unter den Füßen zu gewinnen, und wer konnte schon einem Nachmittag in Hennys mütterlicher, wohltuender Nähe widerstehen? Es war wie eine warme Suppe vor einem lodernden Kaminfeuer. Genau das Richtige für Tessa.
Ohne Begeisterung streifte sie Jacks große Gummistiefel über. Hoffentlich tauchte Claudette in ihren edlen
Weitere Kostenlose Bücher