Den schnapp ich mir Roman
ihn vermutlich nun für einen Vollidioten.
Wie sehr sie Recht hatte, dachte er niedergeschlagen und schenkte sich nach. Sicher verdiente der Lafite einen würdigeren Anlass als dies hier, aber Will war jetzt alles egal. Er musste Claudette aus seinen Gedanken vertreiben und herausfinden, warum er ständig an dieses Mädchen dachte, in das er eigentlich nicht verliebt sein durfte. Glas für Glas kippte er den Wein hinunter.
»India … ich bin’s … lass mich bitte rein.«
Milly hatte es aufgegeben, India anzurufen, und stand nun vor ihrer Haustür, den Finger fest auf die Türklingel gedrückt. Sie zuckte zurück, als die Tür vorsichtig einen Spalt weit geöffnet wurde. Es war Mrs. Taylor-Knight, die sie hereinwinkte.
Schockiert sah Milly, wie verhärmt Indias Mutter aussah. Sie war eine schlanke, modebewusste Frau in den Vierzigern, hatte feine, rötliche Haare, die aber wenig schmeichelhaft kurz geschnitten waren und so ihr fliehendes Kinn und die wässrigen blauen Augen betonten. In den letzten Wochen schien sie um zehn Jahre gealtert zu sein. Ihre Züge entglitten ihr enttäuscht.
»Wie geht es India?«, fragte Milly und blickte sich um.
Kein Weihnachtsschmuck war zu sehen, kein Baum in der Ecke. Auf dem Dielentisch lag ein Stapel ungeöffneter Weihnachtskarten – das einzige Zeichen, dass das Fest vor der Tür stand. Ím Haus war es gespenstisch still, als stünde ein Tod bevor, keine Geburt. Es herrschte eine frostige Atmosphäre. Milly erschauderte.
»Nicht gut«, schniefte Mrs. Taylor-Knight. »Sie weint schon wochenlang, und ihr Vater redet kaum mit ihr. Das Telefon geht den ganzen Tag. Das sind die Journalisten, die lächerlich hohe Summen für ihre Story bieten.«
»Verdammt.« Milly hatte nicht geahnt, wie schlimm es stand, aber da sie mitbekommen hatte, wie es Clemmie ergangen war, hätte sie es sich denken können. »Das ist furchtbar. Die Presseleute sind wie Geier, nicht wahr?«
Mrs. Taylor-Knight wirkte beleidigt. »Meine arme India ist abgelegt worden wie … eine unerwünschte Socke, und sie hat jedes Recht, der Welt mitzuteilen, was für ein Dreckskerl Rufus Pemberton ist.« Dann verschränkte sie die knochigen Arme. »Wenn du dich nützlich machen willst, könntest du meine Tochter überreden, sich an die Presse zu wenden und dabei herauszuschlagen, was ihr zusteht.«
Milly ging hinauf. India lag zusammengerollt auf dem Bett und schluchzte in ihre Hände. Ab und zu murmelte sie etwas Unverständliches. Milly eilte auf sie zu und nahm sie fest in den Arm. Wenn India ihr doch nur vertraut und ihr gesagt hätte, was sich abspielte – zumindest mit dem Baby, wenn schon nicht das andere. Aber sie begriff, dass India vermutlich auf Rufus’ Anweisung hin geschwiegen hatte.
»Sicher hasst du mich jetzt«, schluchzte India und öffnete die roten geschwollenen Augen.
»Sei nicht albern. Warum denn?«
Milly war entsetzt, wie India aussah. Die einst so lebendige, selbstsichere India war verschwunden. Jetzt sah sie
ein ungepflegtes, schwaches und krankes Mädchen vor sich. Ohne die tägliche Selbstbräunung war Indias Haut milchweiß und fast durchsichtig, die rötlichen Haare waren so strähnig, als hätte sie sie schon seit Wochen nicht mehr gewaschen.
»Ich hasse ihn!«, brach es plötzlich aus India hervor. »Gott, wie ich ihn hasse! Was er mir angetan hat!« Doch ihre Wut verschwand ebenso rasch wieder, wie sie aufgebrochen war. »Aber ich … liebe ihn auch so … Wie konnte er mich so im Stich lassen? Wie konnte er mich einfach so aufgeben und nicht ein einziges Mal anrufen?«
Milly strich India das Haar aus der Stirn, wie ihre Mutter es immer tat, wenn sie krank war. »Du hast nichts falsch gemacht, India. Rufus ist ein Schuft, und er verdient dich nicht.«
»Aber ich bekomme ein Kind von ihm!«, kreischte India entsetzt. »Er sagte, er liebt mich … und wollte mit mir leben … und jetzt kriege ich seinen Balg, aber das ist ihm völlig egal!«
Milly wandte den Blick von Indias leicht gerundetem Bauch. Sie wusste nicht, was sie sagen konnte. Sie konnte es nicht glauben, dass Rufus India kaltblütig verlassen hatte in dem Moment, als sie sein Baby erwartete. Es war unglaublich!
»Vielleicht kommt er ja wieder.« Indias gerötete Augen leuchteten hoffnungsvoll auf.
Milly war voller Mitleid. Rufus war ja völlig von der Bildfläche verschwunden. Er hatte seine Geschichte mehrfach an alle Klatschblätter verkauft. Milly war es restlos leid, sein Gesicht aus allen Magazinen
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