Den schnapp ich mir Roman
hervorglotzen zu sehen. Allmählich verstand sie, warum Mrs. Taylor-Knight so darauf drängte, dass India ihre Geschichte ebenfalls verkaufte. Warum sollte Rufus der Einzige sein, der aus diesem Missgeschick einen finanzellen Vorteil schlug?
»Warum wendest du dich nicht an eines der Magazine?«, schlug sie sanft vor. »Du wirst eine Menge Geld brauchen, und immerhin könntest du denen die Wahrheit erzählen.« Da fiel ihr Blick auf ein Foto von Rufus auf Indias Nachttisch, und sie furchte die Stirn. »Ich finde, dieser Schweinehund sollte wenigstens ein bisschen dafür leiden, was er dir angetan hat.«
Doch India explodierte. »Du bist genauso schlimm wie meine furchtbare Mutter«, zischte sie. »Ich verkaufe meine Geschichte nicht. Wenn nun …« Sie begann wieder zu weinen. »Wenn er es sich nun überlegt und zu mir zurückkommt?«
Milly dachte zwar, dass das vermutlich niemals geschehen würde, aber sie war weder tapfer noch mutig genug, Indias kleine Hoffnung und geringes Selbstbewusstsein zu zerstören. Sie entschied sich sogar dagegen, India von dem Debakel mit Claudette und JB und dem Fünf-Millionen-Château zu erzählen, gab ihr die mitgebrachte Tüte selbst gemachtes Toffee und ging nach unten.
»Na, Glück gehabt?«, fragte Mrs. Taylor-Knight hoffnungsvoll.
Milly schüttelte den Kopf. Im Gehen drehte sie sich noch einmal um. »Machen Sie es ihr nicht zu schwer«, sagte sie ernsthaft, wusste aber, dass ihr so was eigentlich nicht zustand. Dann biss sie sich auf die Lippe. »Ich glaube, India ändert ihre Meinung über die Presse, wenn ihr schließlich klar wird, dass Rufus nicht zu ihr zurückkommt. Sie kann die Hoffnung auf eine Versöhnung jetzt noch nicht aufgeben.«
Milly fühlte sich sehr traurig und belastet und sehnte sich nach einer Schulter zum Anlehnen. Daher rief sie Freddie an, sobald sie Indias Haus verlassen hatte. Er würde zwar nie mehr sein als ihr Freund, aber sie auch nie so behandeln wie Rufus India.
Sophie blieb zögernd vor Tristans Cottage stehen. Er war nicht da, das wusste sie, denn sie hatte ihn beobachtet, wie er einen seiner seltenen Besuche im Haupthaus abstattete. Vermutlich suchte er etwas zu essen und würde bald zurückommen, daher duckte Sophie sich rasch hinein. Sie fühlte sich wie eine Diebin.
Es war seltsam – so, als würde sie heimkommen. Es roch genauso, und das Studio sah genauso aus wie damals: unordentlich, aber gemütlich und einladend. Sophie atmete wie süchtig den Duft ein, weil sie die Erinnerungen an ihre gemeinsame Zeit überkamen. Sie musste herausbekommen, ob das, was Tessa gesagt hatte, stimmte: dass Tristan sie in jüngster Zeit gemalt hatte. Sie war nicht aus Eitelkeit hier, sondern musste einfach herausfinden, was Tristan für sie empfand … ob er sie noch liebte.
Sie dachte an seinen Gesichtsausdruck, als sie ihm von Ruby erzählt hatte, und zuckte zusammen. Ihn so zu verletzen war die schwerste Tat ihres Lebens gewesen, und seine Reaktion hatte sie zutiefst getroffen, auch wenn sie nicht unerwartet kam. Wenn sie doch nur gewusst hätte, was sich wirklich zwischen dieser Anna und ihm an jenem Abend abgespielt hatte. Wenn sie ihm doch bloß vertraut hätte …
Ihr Blick fiel auf mehrere an der Wand gestapelte Porträts. Sie hielt den Atem an. Tessa hatte Recht. Tristan hatte sie immer und immer wieder gemalt. Aber was war das hier? Sie fand ein altes Porträt von sich und keuchte auf. Es war völlig zerschlitzt. Ihr Gesicht war kreuz und quer mit einem Messer zerstört worden. Sophie wandte sich traurig ab.
Sie stellte ein Foto von Ruby auf die Staffelei. Auf die Rückseite hatte sie »sorry« geschrieben. Dann lief sie unter Tränen aus Tristans Cottage. Vielleicht, ja, vielleicht würde er ihr irgendwann verzeihen, wenn er sich wieder
beruhigt hatte, dachte Sophie, als sie wieder zu Hause ankam. Ihre Stimmung hellte sich auf. Sie würde ihm sagen, wie sehr sie ihn liebte, und es Gil irgendwie begreiflich machen.
Sie schrie auf, als die Haustür aufgerissen wurde. »Gott, Gil, ich habe fast einen Herzanfall bekommen!« Dann sah sie sein aschfahles Gesicht. Angst überflutete sie. »Was ist? Ruby …«
»Ruby ist in Ordnung«, erwiderte Gil tonlos. »Es ist mein Vater. Er ist heute Nachmittag an einem Herzanfall gestorben.«
»O nein … Gil!« Sophie breitete mitfühlend die Arme aus.
»Es war mitten in seiner Predigt«, murmelte er an ihren Hals gepresst. »Er ist vor der versammelten Gemeinde zusammengebrochen.« Er löste sich
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