Den schnapp ich mir Roman
Mädchen, die einander knutschten. Eine wahre Orgie, mit Drogen und so weiter. Ich wurde ganz trübselig und sagte, wie sehr ich Appleton vermisse – so bin ich immer, wenn ich besoffen bin. Clemmie meinte, sie wolle mich besuchen kommen, und da habe ich gesagt, ich lade dich ein, damit du meine Eltern kennen lernst.« Er strich mit dem Finger über die cremigweiße Schicht auf seinem Guinness. »Das habe ich einfach nur so dahergsagt, Will! Aber Clemmie kreischte auf wie eine Irre und … ja, es war schön, sie so glücklich zu sehen. Ich war wirklich sturzbetrunken – Tequila, da macht man die verrücktesten Dinge.«
»Warte mal, willst du mir etwa sagen, dass du ihr nur einen Heiratsantrag gemacht hast, weil du besoffen warst?«
»Schhhh!« Rufus zog die Hutkrempe hinunter, als müsste er sich davor verstecken, es laut auszusprechen. »Ich glaube, ich war betrunken … ich erinnere mich eigentlich kaum daran … vielleicht war auch die eine oder andere Reihe Koks im Spiel. Also, ich weiß nur noch, dass ich auf einer Liege am Swimmingpool wach wurde und Clemmie den Siegelring meines Vaters am kleinen Finger trug. Ich
hatte einen mordsmäßigen Kater, und mein Mund war so ausgedörrt wie Gandhis Sandalen.«
»Hölle!« Will starrte ihn an. »Konntest du nicht sagen, du hättest dich geirrt, und Clemmie erklären, dass du damit keineswegs heiraten gemeint hattest?«
Rufus sah ihn unsicher an. »Ich wollte sie doch nicht verletzen. Ich mag sie wirklich leiden … ich meine, natürlich liebe ich sie, Will, das wäre so oder so irgendwann passiert … es war nur eine Frage der Zeit.«
Will runzelte die Stirn. Er kannte Rufus und wusste immer genau, wenn er log. Und in diesem Moment log er. Er wollte nicht heiraten. Dafür war er nicht geschaffen. Warum nur zog er das alles durch? Konnte es als Grund ausreichen, dass er Clemmie nicht verletzen wollte? Oder gab es einen anderen Grund, warum Rufus sich auf ein solches Spektakel einließ?«
Will wurde leicht übel, als er bemerkte, wie Rufus in dem bunten Spiegel in ihrer Nische sein Aussehen überprüfte. Er war immer schon ehrgeizig gewesen, hatte schon in der Kindheit ständig darüber geredet, dass er eines Tages reich und berühmt sein würde, und diesen Weg stets zielstrebig verfolgt, trotz der spöttischen Bemerkungen seiner Freunde und der Bestechungsversuche seiner stinknormalen Eltern, sich doch »einen anständigen Job« zu suchen.
Will trank nachdenklich einen weiteren Schluck. Clemmie Winters war eine weltberühmte Schauspielerin. Die Ehe mit ihr würde Rufus’ Status verbessern und ihm vermutlich die Publicity und die Art von Rollen eintragen, die er immer angestrebt hatte. Will musste sich sehr bemühen, seinen Freund deshalb nicht zu verurteilen, aber als Freund schuldete er ihm auch, ihm offen zu sagen, dass er dabei war, einen großen Fehler zu begehen.
Er beugte sich vor und sagte leise: »Hör mal, Kumpel,
du kannst jederzeit zurücktreten, das weißt du. Denk nur nicht, dass du das alles mitmachen musst, obwohl du gar keine Lust hast.«
»Ich will aber«, beharrte Rufus lachend. »Wie meinst du das?«
»Bist du … also, ich frage dich das nicht gerne, aber heiratest du Clemmie nur, um deine Karriere zu fördern?«
»Will, ich bitte dich! So schlecht bin ich auch nicht. Ich kann mich ehrlich gesagt nicht daran erinnern, ihr einen Antrag gemacht zu haben, aber ich ziehe das auf jeden Fall durch, okay? Und zwar nicht wegen meiner Karriere. Das würde ich Clemmie nicht antun. Ich liebe sie, das ist alles – so tief würde selbst ich nicht sinken.«
Will leerte sein Glas. Rufus klang jetzt ehrlich, aber er war schließlich Schauspieler – zwar kein großartiger, aber immerhin. In der Schulaufführung von Oliver Twist war er sehr überzeugend gewesen so wie jetzt auch. Aber Will kannte seinen Freund in- und auswendig. All die Jahre hatte Rufus den Kontakt gehalten, hatte ihm aus aller Welt freche Postkarten und SMS geschickt – einmal sogar Karten für das Filmfestival in Cannes. Aber so loyal Rufus als Freund auch immer gewesen war, Will wusste auch, dass er momentan nicht die Wahrheit sagte. Vermutlich betrachtete er die Verlobung mit Clemmie als Eintrittskarte zu Weltruhm, als einzigartige Chance, sein Image zu verbessern und endlich ernst genommen zu werden.
»Und du?« Ausnahmsweise war Rufus heute nicht daran interessiert, länger im Rampenlicht zu stehen, weil er seine Beziehung zu Clemmie nicht weiter diskutieren wollte. »Bist du
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