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Den schnapp ich mir Roman

Den schnapp ich mir Roman

Titel: Den schnapp ich mir Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sasha Wagstaff
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Spielgruppe, die sie besuchen würde, bis das neue Schuljahr im September begann, und die einzigen anderen Mütter, die Sophie bisher kennen gelernt hatte, waren viel zu jung, um auch nur zu ahnen, wer sie war. Gil hatte sich in seiner neuen Umgebung so rasch eingelebt, als wäre er hier aufgewachsen und nicht sie. Doch sie war ständig voller Anspannung und Angst, dass jemand sie erkannte, hin- und hergerissen zwischen der Sehnsucht, Tristan wiederzusehen, und der Erkenntnis, dass sie ihn unter allen Umständen meiden musste.
    Sophie schaute sich im Dorf um und merkte, wie sich ihre Stimmung plötzlich hob. Appleton war wirklich sehr hübsch. Auf der einen Seite der Hauptstraße reihten sich niedliche Antiquitätenläden aneinander. Ihre Bogenfenster mit den kleinen Scheiben wirkten entzückend altmodisch. Den Laden mit Stoffen gab es immer noch, doch nach den luxuriösen Mustern und Stoffballen zu urteilen hatte man
sich wohl den Zeiten angepasst. Es gab jetzt auch ein schickes Café mit Buchladen an der Ecke mit Namen »Buchecke«.
    Als Sophie die süße kleine Teestube am Ende der Straße erblickte, nahm sie die Sonnenbrille ab, um genauer hinsehen zu können. Sie war genau so, wie sie es in Erinnerung hatte. Auf dem Schild darüber stand, kaum verblichen: »Milk and Honey«. Sie spazierte an der kleinen Schiefertafel neben dem Eingang vorbei, auf dem die Tagesspezialitäten angeboten wurden. Die Buttermilch-Scones mit Pflaumenmus, ihr Lieblingsgebäck, gab es also immer noch. Sie fühlte sich durch diese offensichtliche Beständigkeit sehr getröstet, zuckte aber zusammen, als aus der Tür der Duft von kräftigem Tee und frisch gebackenen Plätzchen wehte, und merkte, wie ihr Herz zu rasen begann, denn es erinnerte sie unwillkürlich an Tristan.
    Sie und Tristan hatten vor vielen Jahren manchen heimlichen Nachmittag in dieser Teestube verbracht, hatten aufgeregt ihre Zukunftspläne besprochen und Tee aus geblümten Porzellantassen mit passenden Untertassen getrunken. Das Teeritual hatte sie immer sehr angeregt, denn beide wussten, dass es ihr Vorspiel für spätere Liebesspiele war.
    Sie wandte sich ab, um die lebhafte Erinnerung zu unterdrücken, und stieß fast mit jemandem zusammen.
    »Oh, entschuldigen Sie bitte …« Sophie starrte die Frau an, die sie versehentlich mit dem Ellbogen angestoßen hatte, und spürte, wie alle Nervenfasern in ihr zu kribbeln begannen. Die Farbe wich ihr aus den Wangen. Es war die alte Mrs. North, eine neugierige alte Fuchtel, die Sophie immer missbilligend nachgeschaut hatte, wenn sie Tristans Cottage auf dem Fahrrad verließ, als hätte sie genau gewusst, was die beiden da trieben. Ihre Missbilligung war deutlich an den verkniffenen Lippen und ihrer drohend
aufrechten Haltung abzulesen gewesen – die junge Sophie hatte das gespürt und sich immer tief über die Lenkstange gebeugt. Sie hatte sich oft vor Scham gewunden, weil Mrs. North genau zu wissen schien, dass sie den ganzen Nachmittag für Tristan Modell gestanden hatte, ehe sie nackt in dessen Bett gelandet war.
    Aber die ältere und selbstbewusstere Sophie hatte nicht die geringste Absicht, verlegen zu sein. Sie konnte nur nicht glauben, dass sie ausgrechnet dieser Alten begegnen musste. Sie trug ein schäbiges Kleid, das viel zu heiß für das Wetter wirkte, und ein kleines Hütchen auf dem Kopf, das wie ein Kaffeewärmer aussah. Nun spähte die Alte Sophie mit schräg gelegtem Kopf an.
    Sophie holte tief Luft. Einen Moment lang hatte sie Angst, etwas zu sagen. Sie setzte ihre große Sonnenbrille wieder auf in der Hoffnung, damit den größten Teil ihres Gesichts zu verbergen und dass Mrs. North sie dann in Ruhe lassen würde.
    »Ich kenne Sie doch!« Mrs. Norths Knopfaugen waren sehr scharf.
    »Ich glaube n… nicht«, log Sophie. Wenn ihre Stimme doch nicht so dünn geklungen hätte.
    »Doch. Ich erinnere mich genau.« Mrs. North tappte mit einem bedrohlich dünnen Finger gegen ihr Gebiss, eine ekelhafte Angewohnheit, bei der Sophie erschauderte. »Du hast früher hier gelebt … hattest lange blonde Haare … bis zu den Hüften hingen sie, wie bei einer billigen Tänzerin.«
    Sophie legte eine Hand an ihre sorgfältig gesträhnte karamellfarbene Pagenfrisur. »Sie irren sich. Ich fürchte …«
    »Nein, ich irre mich nicht!«, erwiderte Mrs. North beleidigt. Ihre laute Stimme lenkte die Aufmerksamkeit einiger Leute auf sich, die gerade die Teestube verließen. »Sie waren Studentin … Kunst, ja? Ja, genau. Und sie

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