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Den Toten dienen

Den Toten dienen

Titel: Den Toten dienen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Delrio
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zu erwidern. »Dann haben Sie ein Zimmer für mich? Ich habe eine Nachricht aus Belgorod geschickt...«
    »Oui, oui. Wir waren alle so überrascht. Wir hatten nicht damit gerechnet, Sie noch einmal zu sehen, jetzt, da Sie nicht mehr nur ein Ritter sind.«
    Er schüttelte tadelnd den Kopf. »Niemand ist nur ein Ritter.«
    »Natürlich nicht. Aber Paladine... «
    »Sollten aufhören zu wohnen, wo man sie kennt und sie sich wohlfühlen, und stattdessen in große, imposante Hotels ziehen? Nein, Madame, die Pension Flambard ist genau das, was ich suche.«
    Er nahm seine Schlüsselkarte in Empfang und stieg die Treppe zu dem kleinen Zimmer unterm Dach hinauf, das seit seinem ersten Besuch in Genf als frisch gebackener und keineswegs wohlhabender Ritter seine Lieblingsunterkunft war. Die Anzüge, die er bei dem Schneider in Belgorod erstanden hatte, würden später vom Flughafen kommen. Alles Wichtige und Private hatte er in seinem einzigen Koffer dabei.
    Er verstaute den Koffer samt Inhalt im Wandsafe, dann setzte er sich an den Schreibtisch mit integrierter Kommkonsole und Unterhaltungsanlage, die den größten Teil des nicht vom Bett beanspruchten Platzes im Zimmer ausfüllte.
    Auch Madame Flambards Sinn für Prioritäten war etwas, das Jonah gefiel. Die meisten Möbel der Pension Flambard waren entweder wirklich alt oder bewusst auf alt getrimmt, die Kommkonsolen aber wurden auf dem neuesten Stand der Technik gehalten. Jonah nahm Verbindung mit dem sicheren Regierungsnetz auf und gab sein Passwort für die Dateien und Privatbereiche der Paladinebene ein. Er musste sich, bevor er mit irgendjemandem sprach, einen Überblick verschaffen, der über die allgemein verfügbaren Informationen hinausging.
    Auf der Ritterebene war die Genfer Politik ein Labyrinth alter Fehden und geheimer Allianzen gewesen, privater Abneigungen und versteckter Absichten. Er hatte keinen Grund anzunehmen, dass es nun, da er zu einem höheren Rang aufgestiegen war, anders wäre. Soweit er das beurteilen konnte, hatte die Ernennung zum Paladin noch niemanden, Mann oder Frau, zu einem besseren Menschen gemacht, und selbst Menschen mit den besten Absichten und dem besten Willen konnten sich erbittert darüber streiten, welcher Kurs der beste für die Republik war.
    Er rief die Lageberichte der Präfekturen auf. Mit Bedauern registrierte er die Veränderungen. Aktualisierungen fanden nicht mehr so nahe an der Echtzeit statt, dass die Verzögerung ohne Bedeutung war. Stattdessen waren die Einträge mit dem Datum der ersten Meldung und dem Datum ihrer Bestätigung versehen und nach Herkunft und Zuverlässigkeit sortiert: direkte Übertragung, offizielles Regierungsdaten-Speichermedium, kommerzielles oder privates Speichermedium, mündlicher Bericht aus offizieller Quelle, mündlicher Bericht aus anderer Quelle und so weiter.
    Während er die Berichte überflog, vermisste er Anna plötzlich schmerzlich. Sie war einfach viel besser, wenn es um das Analysieren von Gerüchten und Entwirren eines Netzes aus Halbwahrheiten ging.
    Geheimdienstanalytiker tun das Tag für Tag, ermahnte er sich streng. Du kannst es auch.
    Momentan war offenbar vor allem das Geschehen in den Präfekturen II und III bedeutsam. Die ehemalige Präfektin Katana Tormark und ihre Anhänger in Des Drachen Zorn erzielten dort ernsthafte Erfolge. Tormark war als Feindin der Republik ebenso beeindruckend, wie sie es als deren Verteidigerin gewesen war, und ihre Desertion - alle schreckten davor zurück, das schmerzhaftere Wort >Verrat< zu benutzen - hatte einige Leute schockiert, die ihre Loyalität für unanfechtbar gehalten hatten.
    Und möglicherweise war sie das noch immer, dachte Jonah. Vielleicht hatte Tormarks Loyalität immer einer Vorstellung gehört, deren exakte Natur nur ihr selbst klar war und die sie in der Republik nicht länger verkörpert sah.
    Er wandte sich von Des Drachen Zorn dem Wolfsclan zu. Die Stahlwolf-Faktion war in jüngster Zeit aktiv gewesen, schien momentan aber ruhig. Vor mehreren Monaten hatten Kervil Berichte erreicht, dass Präfekt Kai Radick, der faktische Anführer der Wölfe in der Republik, bei einer Herausforderung zu Tode gekommen war und seine Nachfolgerin die Stahlwolf-Truppen gegen Northwind in Marsch gesetzt hatte. Doch falls die Wölfe von der Unerfahrenheit der Nachfolgerin Katana Tormarks als Präfektin hatten profitieren wollen, waren sie eines Besseren belehrt worden. Countess Tara Campbell hatte sie mit Unterstützung des Paladins Ezekiel

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