Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Den Toten dienen

Den Toten dienen

Titel: Den Toten dienen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Delrio
Vom Netzwerk:
ertrug die lange Reise von Kervil nach Terra mit Gleichmut. Nach dem Zusammenbruch des HPG-Netzes und angesichts all der Kriege und Kriegsgerüchte aus allen Enden der Republik der Sphäre schätzte er sich glücklich, überhaupt eine Passage zu bekommen, ganz abgesehen von der auf einem Landungsschiff, das mehr oder weniger direkt an sein Ziel flog. Fünf Tage zum Sprungpunkt des Kervil-Systems, ein Sprung in ein System auf etwa halber Strecke, um den Kearny-Fuchida-Antrieb des Sprungschiffs neu aufzuladen, dann ein Sprung ins Solsystem und neun Tage Flug bis Terra - eine ausgesprochen bequeme Reise, verglichen mit einigen anderen, die er im Verlauf der Jahre im Dienst der Republik unternommen hatte.
    Wie üblich war die größte Gefahr an Bord die Langeweile gewesen. Jonah verbrachte die Zeit damit, seine Fragen über die gegenwärtige Situation in der Republik der Sphäre durchzugehen - Fragen über all das, was sich schriftlicher oder elektronischer Korrespondenz nicht anvertrauen ließ, und all das, was persönliche Anwesenheit erforderte, um es zu verstehen.
    Aber schließlich war es doch Zeit, den Koffer zu packen und von Bord zu gehen.
    Der Raumhafen Belgorod in der terranischen Region Russland war von Flutlichtscheinwerfern taghell erleuchtet, bis auf die tintenschwarzen Schatten überall dort, wohin das grellweiße Licht nicht reichte. Jonah war einer der ersten Passagiere, die das Landungsschiff verließen, weil er kein Gepäck im Laderaum des Schiffes hatte. Jahrelange Erfahrung im Dienst der Republik hatte ihn gelehrt, angenehm zu reisen. Nahezu alles, was er brauchte, konnte er auf Terra kaufen oder leihen, und es kostete weniger Zeit als der Transport durch den interstellaren Raum.
    Er zeigte dem Beamten am Ankunftsschalter seine Papiere.
    »Willko mm en auf Terra, Paladin«, begrüßte ihn der Mann mit einem Blick auf den Ausweis und die identischen Angaben auf dem aus der Datenbank aufgerufenen Profil auf seinem Computer schirm. »Die Treppe hinunter und dann bitte rechts, Sir.«
    Danach drehte er sich zum nächsten Passagier in der Reihe um, griff nach dem Ausweis und sagte im gleichen freundlichen Ton: »Willko mm en auf Terra, Mylady.«
    Jonah ärgerte sich nicht über die offensichtlich einstudierte Höflichkeit des Beamten, auch wenn er den Verdacht hatte, dass andere möglicherweise beleidigt reagiert hätten. Ohne Zweifel war der Mann auf Grund seiner Fähigkeit für diese Arbeit ausgewählt worden, geduldig und freundlich zu bleiben, ganz gleich wie gereizt und nervös die Passagiere waren, mit denen er es zu tun bekam. Und immerhin war er auf Terra. Selbst ein so abgelegener Raumhafen wie Belgorod wurde sicher regelmäßig von wichtigen Persönlichkeiten frequentiert.
    Er setzte seinen Weg wie angewiesen fort, eine Etage hinunter und nach rechts, durch einen Gang mit Stahlboden und Marmorwänden. Die indirekte Beleuchtung war fahl weiß und offensichtlich künstlich, und die Klimaanlage hämmerte und stöhnte, während sie Wärme und Atemluft lieferte, die vom Geruch nach Putzmitteln und - woher das kam, konnte er sich nicht erklären - gedünstetem Kohl durchsetzt war.
    Am Ende des Korridors wartete eine zweite Reihe Hafenbeamte hinter heruntergelassenen Schranken. Sie hatten mit Sicherheit alles gesehen, was auf den Bildschirmen eine Etage höher aufgerufen worden war, und wussten genau, wer mit welchem Schiff eingetroffen war. Eine Beamtin trat jetzt vor und fixierte Jonah.
    »Guten Abend, Paladin«, begrüßte sie ihn, sobald sie auf die vorschriftsmäßigen zwei Meter Abstand herangekommen war. »Was führt Sie nach Terra?«
    »Geschäftliches«, antwortete Jonah. »Ich reise weiter nach Genf, sobald ich mich ein paar Stunden ausgeruht habe. Leider hatte ich keine Gelegenheit, eine Unterbringung im Voraus zu buchen. Können Sie mir etwas empfehlen?«
    »Mit Vergnügen.« Die Hafenbeamtin drehte sich um, schnippte dabei mit den Fingern und deutete auf eine Schwebelimousine. »Ein Hotel? Das >Gospodin Manuel O'Kelly< ist das beste Haus am Platz, Paladin.«
    »Das passt doch ganz hervorragend«, bestätigte Jonah.
    Der Fahrer kam herüber und begleitete Jonah zum Ausgang und hinaus ins Freie, wo im hellen Scheinwerferlicht kein einziger Stern am Nachthimmel zu erkennen war. Der Wind roch nach Staub und Öl, und die Luft war ausgesprochen feucht, ganz anders als die Luft an Bord oder in den beheizten und klimatisierten Raumhafengebäuden. Er reckte sich, atmete tief durch und stieg in die

Weitere Kostenlose Bücher