Denen man nicht vergibt
haben Sie getan?«, fragte Dane.
»O Mann, ich hab in meinem Leben noch nie solche Angst gehabt. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich war doch noch ein Kind. Er war mein Vater.«
Nick sagte: »Sie haben ihn damit konfrontiert, stimmt’s? Sie konnten es nicht mehr aushalten und haben es ihm auf den Kopf zugesagt.«
»Ja, und wissen Sie, was er tat? Er stand bloß da, hat auf mich runtergeschaut, und dann hat er angefangen zu lachen. Er hat gelacht, bis ihm die Spucke aus dem Mund flog. Und dann hörte er plötzlich auf. Einfach so, ohne Vorwarnung wurde er eiskalt, und seine Augen waren wie tot. Da war kein Leben mehr hinter diesem Blick, ich sah es ganz deutlich. Ich war zwölf, und ich wusste es ganz genau.« Weldon hielt inne und atmete zittrig ein. In dem kleinen Zimmer war es totenstill. »Er hat mir mit dieser kalten, toten Stimme ganz genau beschrieben, was er mit mir tun würde, wenn ich es irgendjemandem sage.«
»Dass Sie ihn darauf ansprachen, war sehr tapfer von Ihnen gewesen«, sagte Nick.
»Nein, eigentlich war ich ein Feigling, wie sich herausstellte, als ich alt genug war, um das alte Monster zu töten. Ich konnte nicht. Ich wollte ihm nur Angst einjagen, damit er den Mund hält. Aber ich wusste, er würde es nicht tun. Das letzte Mal dann wollte ich ihn erwürgen. Ich weiß nicht, ob ich die Nerven gehabt hätte, so lange zuzudrücken, bis sein altes Herz zu schlagen aufhört. Ich weiß es nicht.« Weldon schüttelte den Kopf, blickte seinen dick eingebundenen
Fuß an und zuckte zusammen. Schließlich sagte er: »Was werden Sie jetzt tun?«
Er blickte jeden an. Inspektor Delion, Detective Flynn und die FBI-Agenten, die alle in einem Halbkreis sein Bett umstanden. Die Schmerzmittel schienen endlich zu wirken, denn in seinem Fuß spürte er nur noch ein dumpfes Pochen. Er schaute Nick an. »Ich werfe Ihnen nicht vor, dass Sie versucht haben, einen alten Mann zu beschützen. Sie wussten es ja nicht besser.«
»Ich hätte stattdessen ihn erschießen sollen«, sagte Nick. »Aber dann hätten wir wohl nie die Wahrheit erfahren.«
Weldon schüttelte nur den Kopf; sein Blick glitt noch immer von einem Gesicht zum anderen. »An dem Tag, als ich achtzehn wurde, bin ich von zu Hause weg. Ich bin nach LA gegangen, weil ich Talent zum Schreiben hatte und Drehbücher fürs Fernsehen und fürs Kino schreiben wollte. Ich traf ein Mädchen, Georgia, und wir verliebten uns. Sie wurde schwanger. Wir heirateten. Ein Betrunkener hat sie überfahren, da war unser Sohn erst drei Jahre alt.«
»Dann haben Sie Ihren Sohn also auch ganz allein aufgezogen, so wie Ihr Vater Sie?«
»Ja, aber ich war nicht wie mein Vater, ich liebte meinen Sohn. Ich hätte alles für ihn getan. Es dauerte nicht lange, und ich begann, Scripts für eine Sitcom zu schreiben und genug Geld zu verdienen, um mir nicht länger um mein Auskommen Sorgen machen zu müssen.« Er schwieg einen Moment. »Ich bin mit dem Alten in Verbindung geblieben. Wussten Sie, dass er noch Sheriff war, als er schon auf die siebzig zuging? Die Leute haben ihn immer wieder gewählt.«
»Wieso?«, wollte Dane wissen.
»Der Alte war derart einschüchternd, der wurde sogar mit einem betrunkenen Biker fertig. Einmal hat er einen Kerl mit seiner Pistole verprügelt, weil der eine Frau belästigt hat. Dabei schrie er die ganze Zeit: Niemand legt sich mit meiner
Stadt an! Das sagte er immer, und dann spuckte er aus. Er kaute Tabak, wissen Sie.
Ich wette, Sie fragen sich, warum ich ihm all die Jahre ein so luxuriöses Seniorenheim bezahlt habe.«
Daran hatte eigentlich noch keiner so recht gedacht, aber Nick wusste, dass ihnen der Gedanke früher oder später gekommen wäre.
Sie fragte: »Ja, wieso eigentlich?«
Weldon sagte schlicht: »Er meinte, wenn ich ihn nicht richtig gut unterbringe, bis er abkratzt, würde er sich an die Öffentlichkeit wenden und allen erzählen, wo er Leichen vergraben hat, von denen man nicht einmal etwas weiß. Er würde der Presse erzählen, wo er seine Waffe versteckt hat, und auch das mit den blutigen Kleiderbündeln unter der Ulme. Bei einer so überwältigenden Beweislast müssten sie ihm einfach glauben.
Also habe ich getan, was er wollte. Was hätte ich auch sonst tun sollen? Ich musste an meine eigene Karriere denken, aber vor allem, und das war am wichtigsten, an meinen Jungen, meinen unschuldigen Jungen.«
Nick sagte langsam: »Na ja, ich glaube, das kann ich verstehen, aber hat er nicht immer noch weiter Leute
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