Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Denen man nicht vergibt

Titel: Denen man nicht vergibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
Vom Netzwerk:
jung?«
    »Nein, ich glaube nicht. Jedenfalls hat er sich nicht wie ein junger Mann bewegt, nicht wie Sie. Er war älter, nicht zu alt, vielleicht so ungefähr wie Inspektor Delion, aber er hatte kein Gramm zu viel drauf. Er war eher schmächtig, hielt sich aber gerade wie ein Rohrstock. So gerade wie beim Militär. Er hatte den Kopf zur rechten Seite geneigt.«
    »Was hatte er an?«
    »Einen langen Trenchcoat. Genau so einen, wie ihn mein Vater hatte.«
    »Welche Farbe?«
    »Ganz dunkel, schwarz vielleicht, aber da bin ich nicht sicher.«
    »War er groß?«
    »Nein, nicht sehr, höchstens eins achtundsiebzig vielleicht. Jedenfalls unter eins achtzig.«
    »Glatze?«
    »Nein, wie gesagt, er hatte dichte, ganz dunkle Haare, schwarz vielleicht und eher zu lang. Einen Hut oder so was hatte er nicht auf.«
    »Bart?«
    »Kein Bart. Ich weiß noch, dass er sehr, sehr helle Haut hatte, heller als alles andere an ihm. Sein Gesicht schien fast zu leuchten in der Dunkelheit.«
    »Sie sagten, er lächelte?«
    »Ja.«
    »Wie sahen seine Zähne aus?«
    »Ganz gerade und sehr weiß. Zumindest haben sie im Dunkeln so ausgesehen.«
    »Und hat er gehinkt? Ein Bein nachgezogen? Oder ging er federnd?«
    »Er machte lange, energische Schritte. Ich weiß noch, dass ihm der Trenchcoat um die Beine flatterte, so schnell ging er. Und sein Gang war geschmeidig, ja, das weiß ich noch genau.«
    »Hat er die Pistole wieder eingeschoben?«
    »Nein, er hat sie in der rechten Hand behalten, am Mantel verborgen.«
    Sie musste innehalten.
    Dane beugte sich vor und tätschelte ihre Hand. Ihre Haut war trocken und rau. Sie blinzelte, vollkommen überrascht über das, was ihr plötzlich wieder alles eingefallen war. Verblüfft starrte sie Vater Michael Josephs Bruder an.
    Sie sagte: »Ihr Name ist Dane Carver?«
    Er nickte.
    Delion wartete noch ein paar Sekunden, und als er merkte, dass nichts mehr kam, brummte er: »Nicht schlecht, Ma’am, nicht schlecht.«
    »Ja, das war eine ganze Menge«, sagte Dane und lehnte sich vor und berührte leicht ihre Schulter. Seine Berührung wirkte beruhigend auf sie, und sie merkte, dass ihm das klar war und dass er es deshalb machte. Dane sagte: »Das war sehr gut. Inspektor Delion wird jetzt einen Zeichner holen. Glauben Sie, Sie könnten zusammen etwas zustande bringen?«
    »Ja, gewiss. Aber ich glaube nicht, dass ich ihn identifizieren könnte, wenn sie ihn erwischen.«
    »Moment mal«, unterbrach Delion. »Warum waren Sie überhaupt um Mitternacht noch in der Kirche?«
    »Vater Michael Joseph sagte, er muss unbedingt noch diesem Mann die Beichte abnehmen, aber ich solle bitte dableiben. Er wollte mit mir reden, wollte sehen, ob er mir vielleicht helfen könnte.«
    »Wie, helfen?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Vielleicht könnten wir Ihnen helfen«, schlug Dane vor.
    Mit zusammengepressten Lippen schüttelte sie den Kopf.
    »Wissen Sie«, warf Delion ein, »das Leben ist manchmal sonderbar. Leuten, denen man an einem Tag nicht traut, kann man am nächsten Tag alles sagen.«
    »Hören Sie«, meinte sie daraufhin, »ich will keine Hilfe. Ich will Ihnen nicht sagen, worüber ich mit Vater Michael Joseph reden wollte. Und ich will nicht, dass Sie mich weiter deswegen löchern, in Ordnung?«
    »Aber vielleicht könnten wir ja helfen«, beharrte Dane.
    »Nein. Lassen Sie mich in Ruhe, oder ich verschwinde wieder.«
    Delion und Dane sahen sich an. Langsam nickte Dane. »Also gut, keine Fragen mehr über Sie und Ihre Situation.«
    »Okay. Gut.« Auf einmal fing sie an zu weinen. Sie gab keinen Laut von sich, nur die Tränen rannen ihr übers Gesicht.
    Delion sah aus, als suche er nach dem nächsten Mauseloch.
    Dane nahm ein paar Papiertaschentücher vom Schreibtisch des Lieutenants und reichte sie ihr.
    »Liebe Güte, das ist mir jetzt aber peinlich -«
    Dane sagte beschwichtigend: »Ist schon gut. Sie hatten es in letzter Zeit nicht leicht.«
    Sie wischte sich Gesicht und Augen ab. »Tut mir Leid«, sagte sie mit belegter Stimme.
    Die Taschentücher in der rechten Faust, schwang sie die Füße über die Sofakante und setzte sich auf. Sie holte tief Luft und blickte nach unten. Dann hielt sie kurz inne, schnüffelte, schluckte und sagte: »Dieses Sofa ist potthässlich.«
    Dane lachte. Dass er überhaupt noch lachen konnte! »Ja«, pflichtete er ihr bei, »es ist potthässlich.«
    »Also bitte«, sagte Delion in gespielter Empörung und rutschte vor, um Dane zur Seite zu drängen, was bei der Größe des Büros nicht

Weitere Kostenlose Bücher