Denen man nicht vergibt

Gesichter. Mit leiser, entschlossener, verzweifelter Stimme sagte er - und es war ein Schwur: »Ich werde das Böse finden, das meinen Bruder zerstört hat.
    Ich werde niemals aufgeben, bis ich es gefunden und ebenfalls zerstört habe.«
    Es folgte ein Moment absoluter Stille.
    In diese Stille hinein ertönte ein vernehmliches, gedämpftes Knallen. So leise das Geräusch auch war, in der vollkommenen Stille war es bis in den letzten Winkel der Kirche zu hören. Ein Mann brüllte: »Diese Frau wurde getroffen! «
    Köpfe zuckten herum, Hälse reckten sich, um zu sehen, was passiert war.
    Nick schrie: »Mein Gott, er ist es! Er ist es, Dane! Er versucht, mich umzubringen! Er ist es!«
    Dane sah, dass ihr Gesicht blutüberströmt war, und einen Moment lang überfiel ihn lähmendes Entsetzen. Dann rannte er die Stufen hinunter auf Nick zu, wobei er verwirrte Trauergäste zur Seite stieß und brüllte: »Haltet ihn auf! Dort ist er, dort, schwarzer Mantel und Hut. Haltet ihn!«
    Die Leute fuhren herum und packten jeden, der Schwarz trug, aber da das eigentlich alle waren, einschließlich eines guten Dutzends Priester, brach das totale Chaos aus. Man schubste und brüllte, man packte einander und rangelte. Es war der reine Wahnsinn.
    Dane erreichte Nick, sah das Blut, das ihr übers Gesicht lief, und brüllte: »Verdammt, Nick. Sind Sie in Ordnung?«
    »Es geht mir gut, keine Sorge. War bloß ein Streifschuss, schätze ich. Wir müssen ihn kriegen. Dane, beeilen Sie sich, ich habe ihn dort entlang rennen sehen.«
    Dane glaubte, den Mann zu sehen, wie er mit gesenktem Kopf zwischen den Leuten hindurch auf den schmalen Seitenausgang zurannte.
    Dane stieß zwei Priester aus dem Weg, sah, wie der Mann durch die Seitentür flüchtete und wie diese Tür wieder zuschwang. Er wäre fast geplatzt vor Wut. Dieser Bastard war hierher gekommen, auf die Beerdigung seines Bruders, hatte sich wahrscheinlich ins Fäustchen gelacht, dieser Irrsinnige. Und er hatte versucht, Nick umzubringen.
    Dane erreichte die Tür, schubste ein gutes halbes Dutzend Leute beiseite und stieß die Türflügel auf. Er sah Savich vorbeirennen, verschwommen nur, so schnell war er, sah, wie er, das linke Bein erhoben, anmutig hochsprang und dem Mann einen gezielten Tritt in die Nieren gab. Der Mann ruderte mit den Armen und fiel fast nach vorne, fing sich aber wieder und taumelte herum, um sich seinem Angreifer zu stellen, was ein schwerer Fehler war. Savich traf ihn dreimal, am Hals und am Kopf. Der Mann keuchte auf vor Schmerzen, sein schockiertes Gesicht wurde bleich, dann kippte er um wie ein Stein. Savich ging neben ihm in die Knie, prüfte seinen Puls und rief dann: »Ich habe ihn!«
    Dane konnte es kaum fassen. Delion und Nick, die auch gerade herankamen, ebenso wenig.
    Dane fragte: »Ist er das, Nick?«
    »Ich glaube schon«, sagte sie. »Könnten Sie ihn bitte umdrehen?«
    Savich drehte den Mann auf den Rücken und riss ihm den Hut herunter.
    Dane sagte: »Das ist Dillon Savich, mein Boss beim FBI. Savich, das ist Nick Jones, unsere einzige Augenzeugin.«
    Savich nickte. »Kümmere dich um ihre Kopfwunde. Der Kerl ist fürs Erste außer Gefecht. Los, kümmere dich ruhig um sie, Dane. Nett, Sie kennen zu lernen, Nick.« Savich blickte grinsend zu seiner Frau auf. Sherlock legte ihm die Hand auf die Schulter. »Ganz schön beeindruckend, mein Lieber«, sagte sie lächelnd. »Aber ihr müsst ja auch keine Stöckelschuhe tragen.« Sie puffte ihn spielerisch in den Arm und blickte dann Dane an. »Ist das der Wahnsinnige, der deinen Bruder umgebracht hat? Der Mann, der gerade beinahe Nick erschossen hätte? Mein Gott, wie sehen Sie denn aus!« Sherlock zog ein Taschentuch aus ihrer Jackentasche, reichte es Dane und sah zu, wie er damit behutsam Nicks Stirn abtupfte. »Sieht so aus, als hätte die Kugel Sie nur gestreift, aber Kopfwunden bluten immer sehr stark. Was denkst du, Dane? Ich glaube, sie ist okay, sieht nur schlimm aus. Ich bin Sherlock.«
    Delion warf einen Blick in Nicks Gesicht, nickte und starrte dann abermals Savich an, der immer noch neben dem Mann kniete. »Mannomann, nicht zu glauben, ich fass es nicht.« Er packte Savichs Hand und drückte sie begeistert. »Und ich dachte immer, ihr FBI-Fritzen wärt alle Weicheier. He, Mann, gut gemacht.«
    Savich prüfte noch mal den Puls des Mannes, erhob sich und klopfte seine Anzughose ab. »Sie müssen Inspektor Delion sein. Haben Sie’s schon gemeldet?«
    »Klar«, bestätigte Delion.
    Eine Gruppe