Denen man nicht vergibt
Ende in einem Beichtstuhl Zuflucht suchte.
Er ging nicht zu seiner Schwester, konnte ihren Schmerz nicht ertragen, hatte nicht die Kraft, sie zu trösten. Eloise, ihr Mann und die Kinder klammerten sich aneinander, und das war gut so.
Als Dane sich schließlich vom Grab seines Bruders abwandte, sah er Sherlock und Savich. Er hatte gar nicht gemerkt, dass sie hinter ihm standen, schweigend und zuverlässig. Real.
Dane fuhr mit seinem Mietwagen ins Polizeirevier in die Bryant Street zurück, Savich und Sherlock fuhren mit ihrem Wagen hinter ihm her. Delion hatte gewollt, dass Savich gleich mit ihnen mitkam, aber Savich hatte nur lächelnd den Kopf geschüttelt. »Wichtigere Dinge zuerst«, hatte er gesagt, nicht mehr. Dann hatte er seine Frau bei der Hand genommen und war Dane zum Friedhof gefolgt.
Als Dane das Büro der Mordkommission betrat, fiel sein Blick als Erstes auf Nick, die auf einem Stuhl neben Delions Schreibtisch saß. Er rief ihren Namen, und sie drehte sich um. »Sie sehen ja aus wie eine Kriegsveteranin, mit diesem Kopfverband.«
»Sieht schlimmer aus, als es ist. Musste nicht mal genäht werden. Die Ärzte konnten nicht aufhören, über das, was passiert war, zu reden, und da haben sie’s wohl ein bisschen mit dem Verbandszeug übertrieben.«
»Mag sein, aber Sie sollten sich trotzdem schonen.«
Sie nickte.
»Ich werfe mir wirklich vor, Sie nicht besser beschützt zu haben. Wenn Sie nicht gerade in dem Moment den Kopf gesenkt hätten, wären Sie erschossen worden. Mein Gott, es tut mir so Leid, Nick.«
Nick war das alles durchaus klar, auf eine abstrakte Weise zumindest. Noch hatte sie es nicht richtig begriffen, was wahrscheinlich ein Segen war. Denn dann würde sie sich, wahrscheinlich am ganzen Körper zitternd, zur nächsten
Damentoilette schleppen. Sie sagte: »Ich wünschte, Sie würden aufhören, sich das andauernd vorzuwerfen. Es war nicht Ihre Schuld, Dane. Glauben Sie, das heißt, dass Gott noch nicht will, dass ich sterbe?«
»Sie meinen, es war noch nicht Ihre Zeit? Schicksal und so?«
»Ja, so ungefähr.«
»Ich habe keinen blassen Schimmer. Aber ich bin sehr froh, dass der Anschlag misslungen ist.«
»Ich habe den Kopf gesenkt, weil ich weinen musste und nicht wollte, dass Sie’s sehen.«
Er schluckte, sagte aber nichts.
»Was Sie über Vater Michael Joseph erzählt haben, war sehr bewegend, Dane. Stimmt das wirklich mit dem Touchdown-Pass? Hat er sich wirklich das Knie ruiniert?«
Er nickte, mühsam um Beherrschung ringend. »Ja. Wissen Sie, das mit dem Schicksal - wenn Sie wollen, setzen wir uns eines Abends mal zusammen, betrinken uns und reden darüber.«
Es war nur ein kleines Lächeln, aber er sah es, und es gab ihm ein gutes Gefühl.
»Ja«, sagte sie, »das wäre schön.«
In diesem Moment tauchte Lieutenant Linda Purcell auf, einen resignierten Ausdruck im Gesicht. »Wir haben die Kugel gefunden. Das ist die gute Nachricht. Leider ist sie in eine Betonwand eingeschlagen; wir können also unmöglich sagen, ob sie aus derselben Waffe stammt, mit der Vater Michael Joseph getötet wurde. Egal. Kommt so oder so raus. Delion zieht gerade seine Show ab. Sie können zuhören, aber unterbrechen Sie ihn nicht. Wir haben beschlossen, den Kerl eine Weile im Loch schmoren zu lassen. Haben ihn eben erst raufgeholt. Bei uns gibt’s leider keine Einwegscheiben, also lassen Sie sich nicht in der Tür sehen, bleiben Sie im Hintergrund.«
Dane schaute sich den Kerl an, der auf Nick geschossen hatte. Seine Unterarme lagen auf dem verkratzten Tisch, den Kopf hatte er darauf gebettet und heulte wie ein Schlosshund. Er heulte, als ob es mit ihm zu Ende ginge. Und damit hat er Recht, dachte Dane, der Bastard.
Fast alle Inspektoren der Mordkommission saßen nahe genug am Verhörzimmer, um alles mitzubekommen. Alle wirkten nervös und aufgeregt. Dane stellte sich vor, dass es in einem FBI-Büro in diesem Moment auch nicht anders zugegangen wäre. Speziell weibliche Agenten hatten überhaupt kein Mitleid mit einem Mörder, der heulend zusammenbrach. Das hatte Dane in seiner Anfangszeit beim FBI ziemlich überrascht, doch allmählich hatte er sich darauf eingestellt und Vorurteile, die er wohl schon mit der Muttermilch aufgesogen hatte, abgelegt.
Delion saß dem schluchzenden Mann schweigend gegenüber. Die Arme verschränkt, die Schnurrbartspitzen ein wenig herunterhängend, beobachtete er ihn geduldig, als hätte er alle Zeit der Welt. Sie sahen, wie er seinen Daumennagel
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