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Denen man nicht vergibt

Titel: Denen man nicht vergibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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sonoren Stimme, die bis in den letzten Winkel der Kirche drang. Er sprach bewegende Worte, Worte, mit denen er Michaels Leben umriss, seine tiefe Liebe zu Gott, über das Priesteramt und die Bedeutung, die es für sein Leben hatte, dann aber auch, unvermeidlich, Worte der Vergebung, der göttlichen Gerechtigkeit, und Dane hätte am liebsten laut gebrüllt, dass es keine Vergebung für den Mann gab, der seinen Bruder getötet hatte. Auf einmal legte sich Nicks Hand auf die seine, umklammerte sie, strich über seine Faust, löste die verkrampften Finger. Sie sagte nichts, schaute nur starr geradeaus. Er warf einen raschen Blick auf ihr Profil, sah, dass ihr Tränen übers Gesicht rannen. Er holte tief Luft und klammerte sich wie ein Ertrinkender an ihre Hand.
    Danach sprachen andere Priester und Gemeindemitglieder, unter ihnen auch eine Frau, die versicherte, Vater Michael Joseph habe nicht nur ihr Leben, sondern auch ihre Seele gerettet. Schließlich nickte Vater Binney ihm zu.
    Er ging nach vorne, vorbei an Michaels Sarg, und hörte, wie etliche Leute angesichts der frappierenden Ähnlichkeit mit seinem Bruder nach Luft schnappten. Es war schwer für die Leute, ihn anzusehen und zu akzeptieren, dass er nicht Michael war. Er ging die wenigen Stufen hinauf und stellte sich hinter ein Sprechpult. Erst da sah er, dass die Kirche zum Bersten voll war. Selbst an der Wand standen die Leute, drei, vier Reihen tief, und auch noch im Eingangsbereich.
    Und Dane dachte, ist der Mörder hier irgendwo, steht er mit gesenktem Kopf unter den Leuten, damit man sein höhnisches Grinsen nicht sieht? Ist er gekommen, um zu sehen, was sein Wahnsinn angerichtet hat, und um sich daran zu ergötzen? Dane hatte vergessen, Nick zu sagen, sie solle auf der Hut sein, sicherheitshalber.
    Dann sah er seine Freunde, Savich und Sherlock. Dane war unendlich dankbar und nickte ihnen zu.
    Dane blickte auf den Sarg seines Bruders hinab, auf die weißen Rosen, die ihn bedeckten. Er räusperte sich und richtete seinen Blick auf einen Punkt oberhalb von Savichs Kopf, denn er hätte es nicht ertragen, beim Reden jemanden direkt anzusehen. Er sagte: »Mein Bruder war ein begeisterter Footballspieler. Er war Wide Receiver, und er konnte jeden Ball fangen, den ich in seine Richtung schickte. Ich weiß noch, es war bei einem unserer letzten High-School-Spiele. Wir lagen mit zwanzig zu vierzehn hinten und hatten nur noch etwas mehr als eine Minute, als wir wieder in Ballbesitz kamen.
    Die Leute sprangen auf die Füße, während wir übers Feld rannten, ich als Passgeber, Michael als Fänger. Schließlich erreichten wir die Achtzehn-Yard-Linie, aber wir hatten nur noch zehn Sekunden. Wir brauchten einen Touchdown.
    Ich warf den Ball zu Michael in der Ecke der Endzone. Ich weiß nicht, wie er’s schaffte, einen Fuß im Spielfeld zu behalten, aber er fing den Ball in dem Moment, als man ihn tackelte. Und er ließ ihn nicht los. Er gewann das Spiel für uns, aber das Dumme war, er hat sich dabei böse das Knie ruiniert.
    Er lag da und hat mich angegrinst wie ein Idiot. Er wusste, dass er wahrscheinlich nie wieder Football spielen würde, aber er sagte: >Dane, das macht nichts. Manchmal überwiegt das Gute das Schlechte so sehr, dass es einfach egal ist. Wir haben gewonnen, und was Besseres kann man sich wohl kaum wünschen.<«
    Danes Stimme brach. Er hörte vage leises Auflachen im Publikum. Abermals blickte er auf den rosenbedeckten Sarg. Da spürte er auf einmal Wärme auf seinem Gesicht, blickte auf und sah, dass ein Sonnenstrahl durch jenes wunderschöne Buntglasfenster hereinfiel. Er spürte die Wärme dieses Lichts bis in die Tiefe seiner Seele. Mit etwas festerer Stimme sagte er: »Michael schätzte das Gute in jedem Menschen, in jedem Ding, ja es gab nichts, was ihm mehr Freude bereitete; aber er wusste auch um das Schlechte, und er akzeptierte, dass es Teil des Lebens ist. Was er jedoch nicht akzeptierte und aus tiefstem Herzen hasste, war das Böse; er wusste, dass es da war, dass es mitten unter uns lebt. Er kannte den Geruch des Bösen, wusste um das unendliche Leid, das es in der Welt anrichtet. In der Nacht, in der er erschossen wurde, wusste er, dass er dem Bösen ins Gesicht sah. Er schloss nicht die Augen davor, und das Böse tötete ihn.
    Michael und ich teilten viele Dinge: Eines davon war Football, ein anderes, dass wir nie aufgeben, egal, was kommt.«
    Dane hielt einen Moment inne, und diesmal glitt sein Blick über die ihm zugewandten

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