Denen man nicht vergibt
Vater Michael Joseph so grausam und sinnlos ermordet worden war.
Dane war zuvor noch einmal mit Nick im Macy’s am Union Square gewesen. In nur zwei Stunden hatte er dabei den Kreditrahmen seiner Karte beinahe ausgeschöpft. Sie hatte dauernd gesagt: »Aber das brauche ich doch gar nicht, ehrlich nicht. Sie halsen mir ja einen Riesenhaufen Schulden auf. Bitte, Dane, gehen wir wieder. Ich habe mehr als genug.«
»Seien Sie still, Sie brauchen einen Mantel. Es ist eisig heute. Sie können doch nicht so zur -«
Er brach ab, brachte das Wort einfach nicht über die Lippen. »Sie können doch nicht ohne Mantel in die Kirche gehen«, sagte er schließlich.
Daraufhin hatte sie sich den billigsten Mantel ausgesucht, doch Dane hatte ihn wortlos wieder zurückgehängt und ihr einen anderen aus weicher Wolle gereicht. Danach hatte er ihr Handschuhe und Winterstiefel gekauft. Dazu noch zwei Jeans, eine schwarze Hose, zwei Nachthemden und Unterwäsche, das Einzige, wo er beim Aussuchen nicht mithalf. Er stellte sich lediglich mit verschränkten Armen neben eine Ankleidepuppe in einem sündigen roten Stringtanga und einem dekorativen Büstenhalter und blickte grimmig in die Gegend.
Gegen Mittag, in der Kosmetikabteilung im Erdgeschoss, streikte sie schließlich. Verkäuferinnen eilten um sie herum. Eine kam direkt auf sie zu und machte Anstalten, sie mit Parfüm zu besprühen. Nick sagte: »Das reicht jetzt, Dane. Wirklich. Ich will jetzt nach Hause. Ich will mich umziehen. Und ich will zur Kirche fahren und mich von Vater Michael Joseph verabschieden.«
Dane, der in seinem Erwachsenenleben noch nie mehr als acht Minuten mit einer Frau beim Einkaufen war, sagte: »Wir haben jetzt auch alles. Sie brauchen nur noch ein paar Schminksachen.«
»Nein, brauche ich nicht. Ich muss mich nicht schminken.«
»Sie sehen so blass aus wie diese Kleiderpuppe in der Feinwäscheabteilung, die mit den knallroten Lippen und diesem roten Stringtanga, bei dem ich fast ’nen Herzanfall bekommen hätte. Wenigstens einen Lippenstift.«
»Ha, könnte wetten, dass Ihnen aufgefallen ist, wie blass sie ist«, schnaubte Nick und wandte sich zur Theke mit den Elizabeth-Arden-Kosmetika um.
Und so fand sich Dane in der ungewohnten Rolle des Lippenstift-Aussuchers. »Den da. Aber eine Idee weniger rot. Ja, genau, der ist gut.«
Dane drehte sich auf der Kirchenbank um und warf einen Blick über die Schulter. So viele Leute, dachte er. Nicht nur Priester diesmal, wie bei der Totenwache, sondern viele Kirchgänger, Gemeindemitglieder und Freunde, in deren Leben Michael von Bedeutung gewesen war. Erzbischof Lugano und Bischof Koshlap kamen beide kurz zu ihm, sprachen ein paar Worte mit ihm, und jeder legte dabei tröstend die Hand auf seine Schulter. Er war ihnen zwar dankbar für ihre Fürsorge, fühlte sich jedoch nicht wirklich getröstet.
Er sah, wie Bischof Koshlap kurz bei Michaels Sarg stehen blieb. Er wusste, dass seine Blicke auf Michaels Gesicht ruhten. Dann beugte er sich vor, gab ihm einen Kuss auf die Stirn, richtete sich wieder auf, bekreuzigte sich und schritt dann langsam, mit gesenktem Kopf weiter.
Dane starrte seine Schuhe an und fragte sich, wie gut sie wohl das Einschussloch in Michaels Stirn kaschiert hatten.
Michael war für immer fort, nur noch sein Körper lag dort in diesem Sarg. Ein riesiger Strauß weißer Rosen bedeckte den nun geschlossenen Deckel. Eloise hatte sie bestellt, weil Michael weiße Rosen geliebt hatte. Dane hoffte und betete, dass Michael wusste, dass die Rosen da waren, dass er lächelte, falls er sie sah, dass er wusste, wie sehr ihn sein Bruder und seine Schwester und so viele andere Leute geliebt hatten.
Aber Michael war nicht da, und Dane glaubte, es keine Sekunde länger ertragen zu können. Er konzentrierte sich krampfhaft auf seine Schuhe und darauf, seine Wut, seinen abgrundtiefen Seelenschmerz nicht laut hinausschreien zu müssen.
DeBruler, DeLoach - er konnte nicht aufhören, an diese Namen zu denken, nicht einmal hier, auf der Beerdigung seines Bruders. Ein kranker Witz? Sein Zorn richtete sich auf den Mörder, irgendwo dort unten in Los Angeles, und auf diese verfluchte Sendung, mit der alles irgendwie zu tun hatte. Als er die Stimme seiner Schwester Eloise hinter sich hörte, drehte er sich um. Er erhob sich, küsste und umarmte sie, schüttelte ihrem Mann die Hand und umarmte auch seine Neffen. Sie setzten sich still in die Reihe hinter ihm.
Dann sprach Erzbischof Lugano mit seiner tiefen,
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