Denen man nicht vergibt
bloß einen wunden Hals, und mein Magen fühlt sich richtig ausgehöhlt an.«
»Ich bin gekommen, um dich abzuholen. Weißt du, Nicola, ich habe gedacht, vielleicht solltest du gleich zu mir ziehen. Wir heiraten ohnehin im Februar, warum die Dinge nicht ein wenig vorantreiben?«
Sie hatte noch nicht mit ihm geschlafen. An dem Abend, als sie beschlossen hatte, endlich so weit zu sein, war nichts daraus geworden. Sie hatten vor einem von Johns liebsten Tanzclubs, dem High Hat herumgeknutscht - und waren prompt von einem Reporter erwischt worden, John mit seiner Zunge in ihrem Mund und den Händen auf ihrem Hinterteil. Es waren Fotos im National Enquirer erschienen. Furchtbar peinlich, das Ganze.
Seitdem hatte er ihr immer nur ein Küsschen hier, ein Küsschen da gegeben, meist auf die Wange, mehr nicht.
Sie sagte: »Wenn ich jetzt zu dir ziehe, wird es im Nu rauskommen. Vergiss nicht, was vorher passiert ist.«
Er zuckte mit den Schultern. »Na gut, wenn du meinst. Aber lass uns zumindest die Hochzeit vorverlegen. Wie war’s mit Ende des Monats?«
Sie schwieg.
»Ich möchte mein gemeinsames Leben mit dir so schnell wie möglich beginnen, Nicola. Ich will mit dir schlafen.«
Sie schwieg noch immer.
»Ich habe dich schon mal nackt gesehen, weißt du. Ich habe geklingelt, aber du hast nicht aufgemacht. Da ich einen Schlüssel hatte, hab ich mich selbst reingelassen. Ich hab dich in der Dusche gehört und habe gesehen, wie du rauskamst und dich abgetrocknet hast. Du wusstest nicht, dass ich da war. Ich weiß nicht, warum ich dir das jetzt erzähle, aber vielleicht will ich ja sagen, dass ich dich gerne wieder so sehen würde. Ich möchte dich küssen, Nicola. Überall.«
Vielleicht lag es daran, dass sie sich innerlich vollkommen leer fühlte, denn sie sagte nicht, was sie vor zwei Wochen wahrscheinlich noch mit einem Lächeln geantwortet hätte - aber danach bist du dran.
»Ich bin sehr müde, John. Wirklich, ich kann kaum noch klar denken. Ich will nach Hause in mein Bett und wieder ein bisschen zu Verstand kommen. Dann können wir darüber reden. Hat der Arzt noch was gesagt? Über die Lebensmittelvergiftung?«
»Er hat sich ausführlich mit uns allen unterhalten, und wir kamen zu dem Schluss, dass nur du von der Himbeervinaigrette gegessen haben kannst.«
»Aber von Salatdressing kriegt man doch keine Lebensmittelvergiftung! «
John zuckte mit den Schultern. »Möchtest du, dass ich mitkomme und dich nach Hause bringe?«
Bevor sie noch etwas sagen konnte, tauchte einer von Johns Assistenten in der Tür auf. »Senator, entschuldigen Sie bitte, aber da ist ein Anruf vom Bürgermeister. Er möchte dringend mit Ihnen reden.«
»Geh nur, John. Ich komme schon zurecht.«
Er beugte sich zu ihr hinunter und küsste sie auf die Wange. »Du bist so blass«, sagte er und berührte mit der Fingerspitze ihre Wange. »Soll ich dir ein bisschen Lipgloss aus deiner Handtasche holen?«
Sie nickte.
Sie sah zu, wie er zu dem kleinen Tisch am anderen Ende des Zimmers ging und das Lipgloss aus ihrer Handtasche herausnahm. Er runzelte die Stirn. »Ist viel zu hell«, meinte er. »Du brauchst einen kräftigeren, gesünderen Ton.«
»Ich werde mir zu Hause was Besseres drauftun. Sehen wir uns später?«
»Tut mir Leid, aber ich habe heute Abend ein sehr wichtiges Treffen mit ein paar Lobbyisten. Aber ich habe meinen Lunch mit dem Bürgermeister abgesagt, damit ich kommen und dich sehen konnte. Albia kommt später und fährt dich nach Hause. Bis morgen dann.«
Sie sah zu, wie er verschwand, eine große, schlanke, elegante Gestalt. Interessanterweise hatte er genauso viele Wähler unter den Männern wie unter den Frauen. Sie hörte, wie das ihn umgebende Stimmengewirr sich den Gang entlang entfernte.
Albia traf zwei Stunden später ein. Sie rauschte ins Zimmer, zwei Schwestern im Schlepptau, aber nicht, um zu meckern, sondern um ihr zu Diensten zu sein. Albia hatte diese Wirkung auf Leute. Sie war eine Prinzessin, oder besser gesagt, nun, da sie über Fünfzig war, eher eine Königin. Ihre ganze Erscheinung, ihr Auftreten waren königlich. Sie war so selbstbewusst, so von sich überzeugt, dass manchmal selbst John auf ein Wort von ihr kuschte. Bis zu seiner Heirat mit Cleo war sie seine Hausdame gewesen, und auch nachdem Cleo sich mit Tod Gambol auf und davon gemacht hatte. Sie war eine exzellente Wahlkämpferin. Nur sehr wenige Reporter wagten es, ihr eine ungehörige Frage zu stellen.
»Albia«, sagte Nicola.
Albia
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