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Deniz, die Lokomotive

Deniz, die Lokomotive

Titel: Deniz, die Lokomotive Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Masannek
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war das Erste von zwölf.“
    Doch Willi verzog keine Miene. Er war jetzt der Schiedsrichter und nicht unser Trainer und sah mich nur nachdenklich und sorgenvoll an. Selbst beim Zwei zu null, das ich schoss, schien er sich nicht zu freuen, und bei meinem dritten Solo verstand ich dann auch warum.
    Die SpVg Solln hatte sich von der Überraschung erholt, und ihr Trainer hatte mich sofort durchschaut.
    „Packt euch den Türken“, rief er. „Der gibt nicht ab!“
    Ja, und das taten seine Spieler dann auch. Zu dritt stellten sie sich mir in den Weg, und wenn ich nur etwas gesehen hätte, dann hätte ich auch gepasst. Das schwöre ich euch. Rocce und Felix standen mutterseelenallein vor dem Tor. Ein Pass von mir, und sie hätten getroffen. Doch ich hatte den Blick auf meine Füße gerichtet und rannte mich fest.
    Ich verlor den Ball, und jetzt griff die Spielvereinigung an. Sie war das Tabellenschlusslicht, ich weiß, aber wir spielten in einer um ein Jahr älteren Gruppe. Wir spielten gegen eine waschechte E1. Selbst beim Tabellenletzten waren alle größer und schneller als wir, und das nutzten die auch knallhart aus. Der Konter, der meinem Ballverlust folgte, führte zum Tor. Zwei zu eins stand es nur noch, und jetzt nahm Rocce das Heft in die Hand.
    Er rief mich zum Anstoßpunkt und schob den Ball zu mir hin. Ich sollte zu Marlon zurückspielen, während Felix und er in den Raum hineinstießen, um seinen Pass zu erlaufen. So wollten sie in den Rücken der Sollner Abwehr gelangen. Doch ich konnte Marlon nicht sehen. Ich sah nur den Nebel, und in meiner Ratlosigkeit hielt ich den Ball viel zu lange. Der Sollner Mittelstürmer nahm ihn mir ab, und mit ihrem nun folgenden Angriff glich die Spielvereinigung aus.
    „Kreuzkümmel und Hühnerkacke!“, fluchte Juli. „Du verflixter Türkendickschädel! Warum spielst du nicht ab!“
    Das Blut schoss mir bis in die Haarspitzen hoch und saugte die Farbe aus meinem Irokesenkamm. Ich wurde so rot, dass meine feuerroten Haare dagegen verblassten, und auch mein Vater und meine Mutter schämten sich jetzt für mich.
    Dreibeiniger Ochsenfrosch und alles Pech dieser Welt! Das wollte ich nicht, und deshalb begann ich zu kämpfen. Jetzt war ich überall, vorne und hinten, und beim nächsten Angriff der Sollner grätschte ich in den Ball. Ich hörte nicht, wie Juli noch schrie: „Nein, Deniz, lass das. Ich hab ihn doch!“
    Nein, ich hörte ihn nicht, und deshalb grätschte ich nicht nur in den Ball, ich grätschte auch in Juli hinein und rammte meine Stollen gegen sein rechtes Bein. Juli ging schreiend zu Boden. Er hielt sich sein Knie und schrie mich jetzt an!
    „Verfluchter Türke. Bist du vielleicht blind!“
    Dann trugen ihn Maxi und Marlon vom Platz. Juli „Huckleberry“ Fort Knox konnte nicht weiterspielen. Ich hatte ihn perfekt ausgeknockt, und weil die Viererkette in einer Person durch niemanden zu ersetzen war, lagen wir zur Pause schon Zwei zu drei zurück.

    Die Wilden Kerle trafen sich sofort mit Willi am Kiosk, doch ich traute mich nicht mehr dorthin. Dort neben dem Kiosk unter dem Schirm, auf dem groß V.I.P-Lounge stand, warteten meine Eltern, und ich spürte ihre Blicke auf mir. Daran änderten auch die Zurufe nichts, mit denen mich meine Mutter wieder aufbauen wollte.
    „Deniz, komm schon, ihr schafft das noch! Du hast gut gespielt. Willi, sag ihm das doch! Deniz hat beide Tore geschossen!“
    Doch die Zurufe wirkten wie ihre Blicke. Drückend und schwer, so wie die Motorradjacke von meinem Opa. Und statt zu meiner Mannschaft zu gehen, setzte ich mich auf die andere Seite des Spielfelds ins Gras. So sehr schämte ich mich, und als Willi zur zweiten Halbzeit anpfiff, sagte ich nur:
    „Wil-ha-hilli, ich mag nicht mehr.“

So finster wie Rübenkraut
    Die zweite Halbzeit gegen die SpVG Solln wurde zur reinsten Tortur. Willi hatte meinen Wunsch, nicht mehr zu spielen, ohne ein Wort akzeptiert, und deshalb sah ich jetzt ohnmächtig zu, wie wir gegen den Tabellenletzten verloren.
    Vanessa, die Unerschrockene, spielte für mich auf Rechtsaußen, und Jojo, der mit der Sonne tanzt, kam für Felix auf links. Doch obwohl sie ihre Sache gut machten und obwohl Vanessa und Rocce je einmal trafen, liefen wir dem Rückstand aussichtslos hinterher.
    Der sechsjährige Joschka, die siebte Kavallerie, konnte seinen Bruder Juli niemals ersetzen, und deshalb zogen uns die Sollner davon. Beim Stand von Vier zu sieben gegen uns stahl ich mich heimlich davon. Ich ließ alles stehen und

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