Deniz, die Lokomotive
Laternenlichtkranz des Kinderspielplatzes ein. Rechts von ihm folgte Raban, auf der linken Seite Vanessa, und dann standen plötzlich alle Wilden Kerle um mich herum. Und genauso plötzlich wachte ich auf. Mein Stolz und meine Ehre meldeten sich wieder zurück, und ich sprang entsetzt auf. Doch ich hatte die Rutsche vergessen, die über mir war, und stieß mir den Kopf dermaßen an, dass es laut krachte.
„Bamm! Er ist es tatsächlich!“, grinste der kleine Joschka. „Deniz, du Türkendickschädel, tut das nicht weh?“
Ich rubbelte meine Beule.
„Wa-has wollt ihr von mir?“, zischte ich. „Und wo-ha-her wisst ihr überhaupt, dass ich hier bin?“
„Wir mögen dich halt“, zuckte Marlon die Schultern. „Und wir haben uns überlegt, was wir tun würden, wenn es uns so mies gehen würde wie dir.“
„Was soll der Mist. Ich verstehe kein Wort!“, blockte ich ab. „Wieso solltet ihr mich mögen? Ver-ha-arschen, hört ihr, ka-hann ich mich auch allein!“
„Das seh ich!“, grinste Vanessa. „Sonst säßest du wohl nicht so eingeklemmt hier rum.“
„Du kannst mich ma-hal!“, schimpfte ich.
„Nein. Das kannst du alleine!“, fuhr mir Raban über den Mund. „Bilde dir ja nicht so viel darauf ein, dass du hier unter der Rutsche hockst. Jeder von uns hat so einen Ort. Ich hab mich zum Beispiel immer im Papierkorb meiner Mutter versteckt, und wenn ich das heute noch tun würde, bliebe ich schon mit meinem Hintern drin hängen. Das sähe auch nicht viel cooler aus als das, was du uns hier bietest. Ist dir das klar?“
Raban grinste mich an, und irgendwie konnte ich nicht mehr anders. Ich grinste zurück.
„Willst du gar nicht wissen, wie das Spiel ausgegangen ist?“, fragte mich Felix.
Ich schaute ihn überrascht an, und mein Grinsen verschwand wieder.
„Ihr ha-habt verloren“, murmelte ich niedergeschlagen.
„Ja, das stimmt“, antwortete Felix. „Wir haben verloren. Aber ganz knapp. Sieben zu acht genau genommen.“
„Seht ihr, was ha-hab ich gesagt!“, flüsterte ich. „Und jetzt ist die Her-habstmeisterschaft futsch.“
„Das stimmt leider nicht!“, widersprach Marlon verschmitzt. „Der Spitzenreiter hat gegen Unterhaching unentschieden gespielt, und wenn wir die schlagen, ist beim letzten Match gegen den TSV Turnerkreis noch alles drin.“
„Aber wie wollt ihr gegen Unterha-haching gewinnen?“, fragte ich völlig entgeistert.
„Mit dir!“, antwortete Vanessa. „Mit wem denn sonst. Mit dir zusammen hätten wir auch heute gewonnen.“
Ich schaute sie an, als hätte sie gerade behauptet, ich wär Alibaba und seine 40 Räuber in einer Person.
„A-haber ich spiel doch nie ab!“, wehrte ich mich.
„Ja und! Das kann man ändern“, widersprach Marlon.
„Nein. Das kann man nicht!“, konterte ich und spürte die ersten Tränen, die sich in meinen Augen sammelten. „Das liegt nicht am Training. Das liegt auch nicht da-haran, dass ich nicht will. Das liegt daran, dass ...“
Nein. Ich konnte und ich wollte es einfach nicht sagen.
„Das liegt woran?“, fragte Marlon und kniete sich vor mir hin.
Ich schüttelte energisch den Kopf.
„Raban! Komm doch mal her!“, sagte Marlon, und Raban war sofort da.
Mir liefen die Tränen über die Wangen.
„La-hasst mich doch bitte in Ruhe!“, bettelte ich.
„Aber warum denn? Nur wegen diesem verflixten Nebel?“, fragte Raban und nahm seine Brille ab. „Weißt du, ohne Brille geht es mir genauso wie dir. Ich kann nichts sehen. Ich bin einfach nur blind.“
„Ja und! Du bist Ra-haban, der Held! Bei dir ist das doch völlig egal!“, beschimpfte ich ihn und bekam sofort ein schlechtes Gewissen. „Tut mir leid. Aber weißt du, ich muss die beste Nummer 9 werden, die es auf der ga-hanzen Welt gibt. Das erwartet mein Pa-hapa von mir. Und, hast du vielleicht schon mal einen Mittelstürmer gesehen, der eine Coca-Co-ha-la-Glas-Brille trägt?“
„Nein“, schüttelte Raban den Kopf und starrte enttäuscht auf den Boden. „Das hab ich nicht!“
Beim dreibeinigen Ochsenfrosch! Warum hatte ich ihn nur so verletzt? Doch Vanessa gab noch nicht auf.
„Ich weiß nicht. Ich fände einen Mittelstürmer, der abgibt auf jeden Fall besser“, sagte sie freundlich und ernst, nahm Raban die Brille aus seiner Hand und setzte sie mir ganz vorsichtig auf.
„Dann fänd ich es auch egal, ob er eine Coca-Co-ha-la-Glas-Brille trägt“, lächelte sie, und, beim fliegenden Orientteppich, dieses Lächeln sah ich jetzt zum ersten Mal ganz
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