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Deniz, die Lokomotive

Deniz, die Lokomotive

Titel: Deniz, die Lokomotive Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Masannek
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Schule. Welcher Idiot hatte behauptet, dass man dort hingeht, um fürs Leben zu lernen? Nein! Das Leben war anders! Ganz anders! Besonders für einen Türken in einer schwarzen und viel zu großen Motorradjacke, mit einem Irokesenhaarschnitt, der so rot war wie die türkische Flagge, und von dem ein Friederich Böckmann behauptete, dass er kreuz und quer schielen würde. Doch das war nur eine böse Verleumdung.
    Für mich war der Nebel um mich herum ganz normal und dass ich, wenn ich in Ballbesitz war, die frei stehenden Mitspieler nicht sah. Nur deshalb gab ich nicht ab. Habt ihr das endlich alle kapiert?
    Auf jeden Fall tat die Wut gut. Sie vertrieb die Angst, und plötzlich stand ich wieder auf dem riesigen Platz. „Königsplatz“ las ich jetzt über dem U-Bahn-Eingang, und endlich wusste ich, wo ich war. Auf der Schnellbahnübersichtskarte im Untergeschoss fand ich den Wettersteinplatz und fuhr vier Stationen zurück. Dort hatte ich Glück. Die 25er Tram kam sofort, und 20 Minuten später stieg ich auf dem Grünwalder Marktplatz aus der Straßenbahn aus.

Der Fluch des Dicken Michi
    Beim fliegenden Orientteppich! War das ein Empfang! Die Menschen auf dem Marktplatz erstarrten zu Stein, und als ich auf einen der Steinmenschen zuging, begann der zu stottern.
    „Entschuldigung. Wo ist der Teufelstopf ?“, fragte ich freundlich, doch der Steinmensch starrte auf meinen feuerroten Irokesenhaarkamm, als wär ich direkt aus der Hölle entschlüpft.
    „Der ... der ... was?“, stotterten sie alle und liefen davon.
    Eine ältere Frau hielt mir sogar ihren Krückstock vor die Nase.
    „Zurück mit dir! Ab in den Finsterwald! Verzieh dich in deine Graffiti-Burgen!“, beschwor sie mich, als wär ich Graf Dracula und Frankensteins Monster in einer Person.
    Ich verstand kein einziges Wort. Ich wollte weder in den Finsterwald noch in die Graffiti-Burgen. Ich wollte zum Teufelstopf , doch vor dem schienen sie sich am meisten zu fürchten. Da entdeckte ich doch tatsächlich ein paar Kerle, die so ähnlich aussahen wie ich. Sie standen wie Gartenmonster in den Beeten um den Marktplatz herum und zupften das Unkraut zwischen den Blumen heraus. Ich ging zum Erstbesten hin. Er war ein monumentaler Chinese, der aussah wie Godzilla oder King Kong.
    „Hey, du da?“, fragte ich ihn: „Weißt du, wo der Teufelstopf ist?“
    Der monumentale Chinese zuckte zusammen, als hätte er einen Stromschlag gekriegt. Wie ein Streichholz zerbrach der Spatenstiel in seinen Händen, und obwohl dieser Kerl so stark war, zitterte und hüpfte er vor mir herum wie eine Wüstenspringmaus in der Antarktis.

    „Michi!“, rief er. „Michi! Komm sofort her! Und bring die anderen mit. Alle! Hast du gehört?“
    Er ließ mich nicht aus den Augen, und auch ich schaute ihn verwundert an. Die Jeansjacke, die er trug, war vorne und hinten und von oben bis unten mit drei Wörtern bestickt: „Die Unbesikbaren Siga“ !
    Dann erbebte der Boden. Der Atem von dem, was jetzt kam, rasselte wie der eines Pottwals, der auf dem Marktplatz gestrandet war. Ich fuhr herum, und nur zwei aufgeregte Atemzüge später schälte sich jemand aus dem Nebel heraus. Verglichen mit dieser Erscheinung sah unser Trainer wie ein glatzköpfiges Rehkitzchen aus.
    Ein Darth-Vader-T-Shirt spannte sich um die Speckschwarten seines Bauchs, seine Augen glühten wie Laser, und die Gestalten, die hinter ihm folgten, durften selbst im Privatfernsehen erst nach 23 Uhr gezeigt werden.
    „Hi! Hallo!“, schluckte ich. „Wisst ihr, wo der Teufelstopf ist? Ich suche Die Wilden Kerle e.W. ...“
    Das war das Zauberwort. Als hätte ich sie vereist, blieben der Pottwal und seine Mistkerle stehen. Sie trauten sich nicht mehr zu atmen, und ihre Augen flatterten wie Motten im Licht.
    „Hey! Ist was?“, fragte ich sie besorgt. „Soll ich euch helfen?“
    „Nein! Auf gar keinen Fall!“, wich der Dicke Michi zurück. „Hau einfach ab! Die Straße da, neben dem Blumengeschäft. Und dann immer nur geradeaus! Dann kommst du zum Teufelstopf. Das ist der kürzeste Weg.“
    Die Angst in den Augen der Unbesiegbaren Sieger sagte mir, dass er die Wahrheit sprach. Aus irgendeinem Grund war ich für sie ein T. Rex, der sich auf Futtersuche befand. Sie wollten mich loswerden, und wenn sie mich anlügen würden, käme ich, das glaubten sie wenigstens, genauso hungrig zurück. Also tat ich ihnen diesen Gefallen. Ich ging einfach los. Doch als sich das Blumengeschäft nach ein paar Metern aus dem Nebel heraushob,

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